Aufgehängt und geschlagen

über verschwundene Freunde

NORA MBAGATHI

Unsere Autorin, 23, studiert seit drei Jahren in Kairo. Sie berichtet vom Alltag im aktuellen Chaos.

Ich habe einen Freund. Nennen wir ihn Ahmed. Als die Schlägertrupps auf dem Tahrir-Platz wüten, kämpft er sich mit Lebensmitteln und Medizin zum Platz durch. Einige Stunden später ist er verschwunden. Am nächsten Morgen ruft seine Freundin mich an: „Wir haben ihn gefunden, er wurde entführt, bedroht und der Polizei übergeben. Jetzt ist er wieder frei.“ Kurz darauf ist sie in meiner Wohnung und erzählt unter Tränen die Geschichte:

Ahmed ist mit einem anderen Mann dabei, Verpflegung zum Tahrir-Platz zu bringen, als er von einer Gruppe bewaffneter Männer festgenommen wird. „Wir werden euch töten“, sagen sie. Ahmed sieht ihnen an, dass sie es ernst meinen. Doch sie entscheiden sich anders und übergeben ihn und seinen Begleiter der brutale Staatspolizei.

Ahmeds Begleiter wird als Erster verhört. Während er vor dem Verhörraum sitzt und wartet, führt man den anderen Mann heraus, hängt ihn an seinen Füßen auf und fängt an, auf ihn einzuschlagen. Dann führt man Ahmed in das Zimmer.

„Ich verstehe nichts von Politik“, versichert er. Er habe im Fernsehen gesehen, dass Leute verletzt seien, und er habe ihnen helfen wollen. Seine Gründe seien humanitär, nicht politisch. Die Polizisten glauben ihm. Den Leuten da auf dem Platz müsse man nicht helfen, das seien Verräter, sagen sie ihm. Ahmed nickt verständnisvoll. „Du hast Glück gehabt“, sagen die Polizisten. Normalerweise hätten ihn die Männer in Stücke gehackt und einzelne Teile als Souvenir behalten. Mit Witzen und guten Ratschlägen entlässt man Ahmed. Was mit Ahmeds Begleiter geschehen ist, weiß meine Freundin nicht.

Auf dem Weg nach Hause – auch sie wohnt in Downtown – wird sie von Soldaten angehalten. „Du siehst nach Ärger aus. Bist du einer der Demonstranten?“, fragen sie und entleeren ihre Tasche. Sie versichert, dass sie nach Hause will. „Nach Hause also“, sagt einer der Soldaten. Dahin bringe ich dich. Vorher laufen wir über den Platz. Und wehe, dich erkennt jemand.“ Sie hat großes Glück. Niemand erkennt sie, als sie mit gebeugtem Kopf über den Platz geführt wird. Auf der anderen Seite des Platzes lässt der Soldat sie zwischen den Schlägertrupps allein.

Ich habe einen Freund. Er heißt nicht Ahmed. Und in den nächsten Tagen wird sich entscheiden, ob es nötig war, ihn so zu nennen. Darum gehe ich an diesem Freitag wieder mit meinen Freunden zum Tahrir-Platz. Hoffentlich zum letzten Mal.