Kolumne aus Ägypten: "Sie jagen uns"

Die Sicherheitskräfte in Kairo gehen gezielt gegen ausländische Journalisten vor. Auch der taz-Korrespondent muss sich vor Schlägern schützen.

"Was willst du, wer bist du, bist du Journalist?", fragt mich eine Gruppe von Männern, als ich am Donnerstagvormittag von meinem Büro zum Tahrir-Platz gehen will. Selbst wenn die Messer, Knüppel oder gar Pistolen, die sie vermutlich unter ihren Jacken tragen, nicht sichtbar sind, ist der ärmlichen Kleidung und dem Auftreten zu entnehmen: Es sind "Axtträger" ("Baltagija"), mietbare Schlägertrupps, die seit einigen Tagen ihr Unwesen in Kairo treiben.

Und definitiv Leute, mit denen man sich nicht gerne anlegt. Die Situation ist brenzlig. Sie pöbeln etwas, lassen mich aber, nachdem ich ihnen meinen ägyptischen Personalausweis gezeigt habe, weitergehen. Zum Abschied sagt mir einer feixend: "Gerade eben haben wir einen anderen Ausländer erwischt!" Die anderen lachen.

Am Nachmittag gehe ich für eine Live-Schaltung in das Studio von Video Cairo, das ich ebenso mitbenutze wie viele andere Journalistenkollegen auch. Das Studio liegt drei Häuser von meinem Büro entfernt. Auf der Treppe empfangen mich Kameramänner mit Knüppeln in den Händen.

"Sie wollten gerade bei Video Cairo eindringen. Zweimal haben sie versucht, die Treppen hochzukommen", erzählen mir die Kollegen. Sie hätten dann die Armee gerufen. Drei Soldaten seien gekommen und hätten die Schläger vertreiben. Kein Zweifel: Die Schlägertrupps haben es auf Journalisten abgesehen. Sobald sie eine Kamera sehen, schlagen sie los. Oder sobald sie Ausländer sehen, die sie allesamt für Journalisten halten.

Dieser Eindruck, den hier alle haben, wird bestätigt von den Nachrichten, die nach und nach eintrudeln: Ein schwedischer Kollege wurde schwer verprügelt und mit einem Messer attackiert. Er liegt jetzt im Krankenhaus. Zwei Amerikaner wurden so schwer verletzt, dass sie ausgeflogen werden mussten.

Es wird Nacht, und die Schlägertrupps ziehen immer noch durch die Straßen. Sie halten Ausschau nach uns. Auch unter den Fenstern meines Büros ziehen sie vorbei. Meine Mitarbeiter und ich verbarrikadieren uns im Büro. Und wir verdunkeln es, damit niemand sieht, dass wir da sind. Denn die Armee hat zwar bei Video Cairo eingegriffen, sonst aber hält sie diese Trupps nicht auf.

Wir warten die ganze Nacht. Es ist beängstigend. Immerhin: In dieser Nacht passiert nichts weiter.

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Karim El-Gawhary arbeitet seit über drei Jahrzehnten als Nahost-Korrespondent der taz mit Sitz in Kairo und bereist von dort regelmäßig die gesamte Arabische Welt. Daneben leitet er seit 2004 das ORF-Fernseh- und Radiostudio in Kairo. 2011 erhielt er den Concordia-Journalistenpreis für seine Berichterstattung über die Revolutionen in Tunesien und Ägypten, 2013 wurde er von den österreichischen Chefredakteuren zum Journalisten des Jahres gewählt. 2018 erhielt er den österreichischen Axel-Corti-Preis für Erwachensenenbildung: Er hat fünf Bücher beim Verlag Kremayr&Scheriau veröffentlicht. Alltag auf Arabisch (Wien 2008) Tagebuch der Arabischen Revolution (Wien 2011) Frauenpower auf Arabisch (Wien 2013) Auf der Flucht (Wien 2015) Repression und Rebellion (Wien 2020)

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