Geigerzähler im Netz

MEDIEN Print und der öffentlich-rechtliche Sender NHK sind in Japan stark – gleichzeitig sind Smartphones schon lange verbreitet

BERLIN taz | Wo gibt es noch Lebensmittel, Geigerzähler oder Jodtabletten? Insbesondere das internetfähige Handy ist das wichtigste Werkzeug der japanischen Bevölkerung und die Netzanbieter haben standardmäßig Flatrates inklusive Internettelefonie im Angebot. Auch Onlinedienste sind in Japan auf Smartphones optimiert.

Japaner trauen dem geschriebenen Wort oft mehr als den Fernsehnachrichten oder dem Radio, weshalb in Japan Printmedien eine sehr große Leserschaft haben. So browsen, skypen, chatten und mailen die Japaner mit ihren Handys auch in der Katastrophe, um aktuelle Informationen zu erhalten und ihre Verwandten, Freunde und Bekannten zu erreichen. Ständig werden neue Streams von Nachrichtenbeiträgen, Geigerzählern, Videos oder Links zu Blogs, die weiterführende Informationen anbieten, ins Netz gestellt und über diverse Communitys und Verteiler verbreitet.

Dass der öffentlich-rechtliche Fernsehsender NHK bis heute eine der wichtigsten Informationsquellen darstellt, liegt vor allem an der Tatsache, dass er sich diese Stellung durch seine starke Internetpräsenz sichern konnte. Das NHK-Programm übersetzt seit Tagen Katsuyuki Ueno, der in den USA studiert hat. „Don’t trust the government“, sagte der Netzaktivist schon am Samstag im Livestream. Er übersetzt nicht nur Nachrichten des japanischen Senders NHK ins Englische, sondern führt auch Skype-Interviews und gibt andere Infos durch. Die Zuhörer kommentieren per Chat die Ereignisse.

Am Montag enthielten japanische Tweets eher technische Informationen: Fahren die Züge wieder? Was ist mit der Stromsperre? Auch könnte Twitter zu extrovertiert für die meisten, eher diskreten Japaner sein, die lieber im japanischen Netzwerk „Mixi“ in internen Gruppen ihre Meinung austauschen. Facebook wird in Japan vor allem von denjenigen genutzt, die bereits einen Auslandsaufenthalt hinter sich haben. Die meisten Japaner sind in ausschließlich japanischsprachigen Netzwerken, wie eben Mixi, aktiv. Am Dienstag wächst bei Twitter unter den Schlagworten „genpatsu“ (Atomkraftwerk) und „hibaku“ (Strahlung ausgesetzt sein) die Angst. Allerdings sind Dienste wie Twitter oder Social-Network-Communitys wie Mixi sowie Blogs in Japan schwieriger auf ihre Verlässlichkeit zu prüfen, da Quellen selten genannt werden. Das spiegelt sich auch im Netz wieder. Aber auch Namen haben eine besondere Bedeutung dort – deswegen schenkt man etablierten und traditionsreichen Verlagen mehr Vertrauen als der wachsenden Netzgemeinde oder jüngeren, unabhängigen Medien.

FELIX MILKEREIT, JULIA SEELIGER