Verstrahltes Meer vor dem AKW Fukushima: Die Fische sind die Dummen

Das Meer vor dem AKW Fukushima soll über tausendfach mit radioaktivem Jod belastet sein. Wie sich die verstrahlten Partikel verteilen, lässt sich kaum vorhersagen.

AKW mit Meerblick: Fukushima I vor der Katastrophe. Bild: dapd

BERLIN taz | Hoch verstrahlt soll das Meer vor dem Katastrophenreaktor Fukushima sein. Zwar sind derzeit Messwerte mit Vorsicht zu genießen, doch die japanische Atomaufsicht veröffentlichte am gestrigen Sonntag Daten, nach denen im Wasser eine 1.850fache Belastung mit radioaktivem Jod festgestellt worden ist. Laut der Nachrichtenagentur Reuters war am Samstag noch das 1.250fache gemessen worden.

"Wahrscheinlich läuft das Kühlwasser unkontrolliert ins Meer", sagt Detlef Schulz-Bull vom Institut für Ostseeforschung in Warnemünde. Zudem sorgen Westwinde über Japan in diesen Tagen dafür, dass ein Großteil der radioaktiven Partikel aufs Meer hinausgeweht werden. Dort würden die Isotope verdünnt, so Schulz-Bull, Professor für Meereschemie, doch sie verschwänden nicht: "Der Effekt der Verdünnung ist nicht unbedingt positiv, weil sich die Radioaktivität so kaum mehr bekämpfen lässt."

Radioaktives Jod, Cäsium, Ruthenium und Tellur wurden laut der Kölner Gesellschaft für Anlagen und Reaktorsicherheit in Stichproben im Meer vor Fukushima gefunden. Die Isotope von Jod und Cäsium seien gut wasserlöslich und verteilten sich leicht mit der Strömung, so Schulz-Bull. Sie werden nun auf den Meeresboden sinken und sich dort ablagern oder von Fischen und anderen Meeresbewohnern aufgenommen.

Auch die Küste der betroffenen Region dürfte mit radioaktiven Partikeln belastet werden, weil zwischen Meer und Festland ein reger Austausch stattfindet. In welchen Konzentrationen, lässt sich noch nicht sagen, dazu müsste erst einmal klar sein, wie stark die See letztlich radioaktiv verseucht wird.

Auf dem Meeresboden der Ostsee lasse sich die Belastung durch Tschernobyl noch heute in 10 bis 20 Zentimeter Tiefe messen, sagt der Meereschemiker. Und im Atlantik seien die Atombombentests der 50er Jahre ebenfalls weiterhin nachweisbar. Er geht davon aus, dass vor Japan tausende Quadratkilometer große Fischfanggründe verseucht und für den Fischfang auf lange Sicht untauglich sind.

"Flächendeckende Kontrollen für importierten Fisch sind jetzt wichtig", sagt Manfred Santen von Greenpeace, auch wenn sich bis jetzt nicht abschätzen lasse, wie sich die Radioaktivität im Meer verbreite und wie sie von den Meeresbewohnern aufgenommen werde. Tunfische etwa seien sehr mobil und legten zur Nahrungssuche große Strecken zurück. Krebse und Muscheln hingegen bewegten sich kaum, Tiere aus der Region seien sicher hoch belastet.

Beunruhigend sei die Vorstellung, dass die Strömung die strahlenden Isotope nach Norden in das Beringmeer transportiere, einen Fischgrund von weltweiter Bedeutung. Am Freitag hatte die EU strengere Kontrollen für Lebensmittel aus Japan beschlossen. Das europäische Schnellwarnsystem für Lebens- und Futtermittel (RASFF) funktioniere in der Regel gut, so Santen. "Messen und abwarten" seien nun angesagt. Für die Fische vor der Küste Japans kein Motto: Ihnen drohen Veränderungen im Erbgut und Krebsgeschwüre.

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