Radioaktive Brühe übergeschwappt

REAKTOREN In mehreren Atomkraftwerken sprangen Dieselgeneratoren an. Die Lage bleibt aber stabil

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TOKIO rtr/dpa/afp | Bei dem neuen schweren Erdbeben schwappte im AKW Onagawa eine kleine Menge leicht verstrahlten Wassers aus einem Abklingbecken für Brennstäbe. Außerdem wurden Lecks an acht Stellen in der Anlage gefunden, wie der Fernsehsender NHK unter Berufung auf den Betreiber berichtete. Die gemessene Radioaktivität sei aber „deutlich unter dem Niveau, bei dem wir die Behörden informieren müssten“, sagte ein Unternehmenssprecher der Betreiberfirma Tohoku Electric Power. Sechs konventionelle Kraftwerke fielen vorübergehend aus, drei gingen bis zum Freitag wieder in Betrieb, erklärte der Sprecher. In mehreren Atomkraftwerken sprangen Dieselgeneratoren an, bis Freitagnachmittag waren die Anlagen aber wieder ans Stromnetz angeschlossen.

Die Anlagen in Onagawa in der Präfektur Miyagi sind zwar seit dem verheerenden Erdbeben der Stärke 9,0 und dem Tsunami vor vier Wochen abgeschaltet. Die Brennelemente müssen aber weiter gekühlt werden. Dafür wird Strom gebraucht. Die Kühlung setzte nach dem Nachbeben kurzzeitig aus, berichtete NHK. Mittlerweile funktioniere sie aber wieder.

Probleme bereitet den Technikern neben den Lecks vor allem ein beschädigtes Teil in einem Turbinengebäude, das den Druck kontrollieren soll.

Im AKW Higashidori in der Präfektur Aomori und in der Wiederaufbereitungsanlage Rokkasho wurde die externe Stromversorgung unterbrochen, berichtete die Nachrichtenagentur Kyodo. Die Notversorgung funktioniere aber an beiden Orten. Das stark beschädigte Kraftwerk Fukushima I blieb diesmal verschont. Die Kühlung der Reaktoren mit Wasser funktioniere auch nach dem Beben weiter, berichtete die Agentur Kyodo. Es wurde nach Angaben von Tepco auch weiter Stickstoff in das Reaktorgehäuse am Block 1 eingeleitet.

Die Maßnahme läuft seit Donnerstag. Das Gas soll das brisante Luftgemisch im Innern verdünnen und so verhindern, dass es zu neuen Wasserstoffexplosionen wie kurz nach der Havarie kommt. Kyodo meldete, der Energiekonzern wolle über sechs Tage fast 6.000 Kubikmeter Stickstoff zuführen. Die Reaktorblöcke 2 und 3 könnten folgen.

Unterdessen denkt die japanische Regierung über eine Erweiterung der Evakuierungszone um den Katastrophenreaktor nach. Japanische Medien berichteten, die Regierung könnte auch den Bewohnern außerhalb eines 30-Kilometer-Radius um Fukushima raten, das Gebiet zu verlassen.

Künftig sollen Schiffe in Japan auf radioaktive Verstrahlung untersucht werden. Schiffe, auf denen eine erhöhte Belastung gemessen werde, dürften die Häfen in Tokio, Kawasaki oder Yokohama nicht mehr Richtung Ausland verlassen, teilte ein Sprecher des Verkehrsministeriums mit. Die Situation in den Tokioter Häfen wurde am Freitag mit „sehr sicher“ angegeben. Im vergangenen Monat hatten die chinesischen Behörden einem japanischen Schiff die Einfahrt verweigert.

Das Epizentrum des jetzigen Bebens lag nach Angaben der US-Erdbebenwarte USGS in einer Tiefe von etwa 40 Kilometern in der Präfektur Miyagi, 66 Kilometer östlich von Sendai, das bereits bei der Katastrophe am 11. März verwüstet worden war.