„Ein netter Kerl“

PORTRÄT Mit leiser Stimme führte Osama bin Laden seit Ende der 80er Jahre das Terrornetzwerk al-Qaida

WASHINGTON afp | Als zwölftes von mehr als 50 Kindern eines reichen saudi-arabischen Bauunternehmers jemenitischer Abstammung wurde Osama bin Laden vermutlich im Jahr 1957 in Riad geboren. Schon früh kam er mit der westlichen Welt in Kontakt. Als Teenager besuchte er Südspanien und ließ sich in jugendlicher Unbefangenheit sogar neben Mädchen in Röcken fotografieren. 1973 kam bin Laden dann mit islamistischen Gruppen in Verbindung.

Einen Wendepunkt in seiner Entwicklung erlebte bin Laden Ende der 70er Jahre: Ägypten schloss Frieden mit Israel, im Iran siegte die islamische Revolution, sowjetische Truppen besetzten Afghanistan. Der junge Mann entwickelte erstmals die Idee, Muslime aus aller Welt zu einem Kampf gegen die damalige UdSSR und westliche Mächte und ihre arabischen Verbündeten zusammenzurufen.

In Afghanistan kommandierte er 1984 gegen die Rote Armee mehr als 20.000 Kämpfer aus vielen arabischen Ländern. In dieser Zeit befand sich bin Laden unter dem Einfluss palästinensischer und ägyptischer Islamgelehrter, die eine besonders rigorose Auslegung des Koran vertraten. „Ein Tag in Afghanistan ist wie tausend Tage Beten in einer normalen Moschee“, sagte er.

Ein Jahr vor Ende der sowjetischen Invasion in Afghanistan 1989 begann bin Laden mithilfe von Gefolgsleuten mit dem Aufbau des Netzwerks „al-Qaida“ („Das Fundament“). „Er war ein junger Mann, der sich enthusiastisch für den heiligen Krieg einsetzte“, beschrieb ihn der saudi-arabische Exgeheimdienstchef Prinz Turki al-Feisal in einem Fernsehinterview. „Er sprach wenig und erhob nie seine Stimme. Kurzum, er war ein netter Kerl.“

Als 1991 eine internationale Koalition unter Führung der USA den Krieg gegen Irak führte, erklärte er Washington den „Dschihad“, den religiös motivierten Krieg. Den Anstoß dazu gab, dass die USA ihre Soldaten in Saudi-Arabien, dem Stammland des Propheten Mohammed, stationierten. Nach einem Zerwürfnis mit der saudischen Herrscherfamilie wurde bin Laden 1992 der Pass entzogen, zwei Jahre später die Staatsbürgerschaft.

In seinem Feldzug gegen den „großen Satan“ Amerika machte sich bin Laden nach Auffassung von US-Justiz und Geheimdienstfahndern in tausenden Fällen des Mordes schuldig: Die Simultanangriffe auf die US-Botschaften in Kenia und Tansania 1996, bei denen mehr als 200 Menschen starben, und der Angriff auf den US-Zerstörer „USS Cole“ im November 2000 im jemenitischen Aden gingen auf bin Ladens Konto, sind sich die Ermittler sicher. Das schlimmste Werk aber, für das er verantwortlich gemacht wurde, waren die Anschläge vom 11. September 2001 in New York und Washington mit fast 3.000 Toten.