Weinanbau in Ungarn: Wie der Ökowein nach Villany fand

Die kleine Stadt im Süden von Ungarn ist immer noch ein Geheimtipp unter Gourmets. Vor allem wegen des vorzüglichen Weins.

Immer mehr Winzer in Villany stellen auf ökologischen Weinbau um. Bild: rokit_de/photocase.com

VILLANY taz | In Deutschland ist das einst berühmteste Weingebiet der k. u. k. Monarchie immer noch ein Geheimtipp unter Gourmets. Ein Besuch im Süden Ungarns, fast schon an der kroatischen Grenze, zeigt allerdings: Für Ungarn ist das 2.000-Seelen-Städtchen Villany schon seit je eine Attraktion. Kelterhaus an Kelterhaus reiht sich in der Kossuth-Gasse im Zentrum. Viele wurden zu Gasthäusern oder Weinhandlungen umgebaut. Handgemalte Schilder laden zur Weinprobe ein.

Villany steht für eine Region von etwa 40 Quadratkilometern. 2.000 Hektar davon sind Weinhänge - und auf denen drängen sich Ungarns beste, vielfach prämierte Winzer. Deren Weine sind in jedem guten Budapester Restaurant längst ein Muss. Und immer mehr Winzer stellen dort um auf ökologischen Weinbau.

Der Pionier dieses Trends ist Ralf Waßmann, der seine gleichnamige Weinmanufaktur 2002 als Bioweingut gründete und seit 2004 die bisher einzigen offiziellen Bioweine herstellt. Behände springt der drahtige 47-Jährige mit dem wettergegerbten Gesicht in den Mikrobus. Heute will er "sein" Revier zeigen, einige der besten Winzer präsentieren: Csaba Malatinszky, den Waßmann bei der Umstellung auf Bioweinbau berät, Joszef Bock und andere. Man begrüßt sich freundschaftlich, Geheimnisse scheint es hier keine zu geben. "Wir kämpfen gemeinsam darum, dem Land den Ruf als Spitzenweinregion zurückzuerobern", erklärt Waßmann.

Leicht ist das nicht. Der gesamte osteuropäische Weinbau hat seinen Ruf in den Zeiten des Sozialismus nachhaltig zerstört. Damals wurde Low-Budget-Fusel produziert: viel Ertrag, wenige Rebsorten, Qualität egal. Der edle Geschmack des Tokajer-Weins wurde zwar immer noch gepriesen, aber ehemalige DDR-Bürger haben vom "Tokaj Furmint" vermutlich eher den Kater am nächsten Morgen in Erinnerung.

Wie überzeugt man jemand, der das berühmt-berüchtigte "Erlauer Stierblut" erlebt hat, davon, 8 bis 12 Euro für einen Rebensaft aus Villany zahlen zu müssen? Denn auch im konventionellen Anbau lassen sich die Preise kaum drücken. "Mit den Massenweinen aus Europa und Übersee können wir preislich nicht konkurrieren, dafür ist das Anbaugebiet viel zu klein. Wir müssen auf Qualität setzen", ist Waßmann überzeugt.

Klima und Böden

"Villany hat die allerbesten Voraussetzungen für perfekten Wein", befindet der Ökowinzer. Seine Augen leuchten, wenn er von den Vorzügen Villanys schwärmt. Einerseits stimme das Klima, andererseits auch der Boden: Kalkablagerungen aus der Zeit, als hier noch das Pannonische Meer schwappte, bedeckt von Löss, den urzeitliche Stürme hierhergetragen haben. Schon die Römer haben auf den umliegenden Hügeln Wein angebaut. Ein Paradies für den passionierten Winzer. Mit 14 Jahren hat Waßmann angefangen zu keltern - aus allen Obstsorten, die ihm damals in der alten Heimat im Südharz in die Finger gerieten.

Die Studienwahl lag da auf der Hand: Weinbau und Getränketechnologie. Und auch als er das Studium in Geisenheim schon abgeschlossen hatte und bei einem Global Player der Getränkeindustrie als Produktionsleiter arbeitete, bewirtschaftete er nebenbei, sozusagen als Hobby, einen kleinen Weinberg. Praktischerweise teilt er diese Leidenschaft mit seiner Frau, Susann Hanauer. Die studierte Juristin hat schon in Deutschland französische Spitzenweine vermarktet. Als das junge Paar 1998 das erste Mal Villany besuchte, stand ihr Entschluss schnell fest: Hier wollten sie ihren eigenen edlen Tropfen produzieren. Sie kauften sofort ein Presshaus auf.

Waßmann und Hanauer knüpfen damit an eine alte deutsche Tradition an: Seit dem 17. Jahrhundert haben die Donauschwaben in der Region dominiert, erst nach dem Zweiten Weltkrieg fand ein massiver unfreiwilliger und seit 1990 ein freiwilliger Exodus der deutschsprachigen Bevölkerung statt. Gänzlich gegen die Tradition kämpfte das deutsche Ehepaar allerdings mit seinem Anspruch, Ökoweine zu produzieren.

Höchste Qualität, das heißt für sie nämlich: frei von synthetischen Düngern oder Pestiziden, echter Kork, keine Kunststoffkapsel drum herum. Seit 2003 ist ihr Betrieb nach den EU-Richtlinien für ökologischen Weinbau zertifiziert. Bis dahin hatten sie einen regelrechten Ämtermarathon hinter sich, denn die entsprechenden Zertifikate zu bekommen war gar nicht so einfach. "Damals gab es in ganz Ungarn kein ökologisches Pflanzenschutzmittel zu kaufen. Wir mussten Backpulver und Fenchelöl selbst importieren", erinnert sich Waßmann.

"Ich wusste, das ist ernst hier"

"Als ich hierherkam, gab es schlicht noch keine Infrastruktur für Biowinzer. Ich habe deshalb mit integriertem, konventionellem Weinbau angefangen", erklärt Horst Hummel im L-förmigen Laubengang seines klassisch donauschwäbischen alten Hofs. Überall sieht es nach Arbeit aus, die große Küche ist vollgepackt mit Weinkisten, draußen stehen ausrangierte Maschinen im Gras herum. Mit seinem sonstigen Leben als Rechtsanwalt in Berlin hat die Arbeit auf dem Weingut vermutlich wenig gemein.

Trotzdem war Hummel, ähnlich wie Waßmann, von seinem ersten Besuch in Villany im Jahr 1997 überwältigt. "Ich wusste, das ist ernst hier", erklärt der Urenkel eines donauschwäbischen Winzers. Ein Jahr später, 1998, baute Hummel schon selbst Wein an in Villany. Bio war damals noch nicht angesagt. "In Ungarn herrscht auch jetzt noch große Skepsis gegenüber Bioprodukten insgesamt", erklärt der 50-Jährige: "Das erinnert mich an die Vorbehalte in Deutschland in den 70er Jahren."

Seit 2008 hat jedoch auch Hummel die Produktion umgestellt und wartet nun, nach drei Jahren Umstellungszeit, auf das Ökozertifikat. Beraten wird er dabei von Péter Bakonyi, dem jüngsten der Villanyer Ökowinzer mit dem kleinsten Stück Land. Der 30-Jährige hat schon seit acht Jahren ein Gut in Siklós bei Villany, wo er nach seinem Agrarstudium als Außenbetriebsleiter des größten Villanyer Weinguts sein Berufsleben begann. Bakonyi gehört wie Attila Gere, Jószef Bock und Csaba Malatinszky zu den einheimischen Winzern, die sich von dem Biokonzept haben überzeugen lassen. Stolz präsentiert er einen "Lindenblättrigen".

"Ich habe all die Jahre gespritzt und dachte, das sei schon richtig so. Aber dann habe ich kapiert, dass ich mir damit keinen Gefallen tue. Der Wein wird dadurch nicht besser", erklärt der Nachwuchswinzer: "Heutzutage nutze ich die Natur, um die Eigenheiten meiner Rebsorten zu betonen." Nun wartet auch er auf die Biozertifizierung seiner Reben, 2010 hat er sich darum beworben. Gefragt, ob er, Bakonyi, wohl für eine neu entstehende, ungarische Generation der Ökowinzer stehe, schüttelt er bedächtig den Kopf. Nein, er glaubt nicht, dass die Bioweinbauern jemals überwiegen werden: "Vielen ist das einfach zu aufwendig."

Viel Handarbeit

Tatsächlich ist das Leben als Bioweinbauer in Ungarn auch heute noch nicht einfach. Nicht umsonst nennt Waßmann sein Gut eine Weinmanufaktur. Vieles muss in Handarbeit getan werden. Auch die Lese führen Waßmann und Hanauer selbst von Hand durch. Bis auf eine kleine Abbeermaschine und eine Presse verzichten Sie bewusst auf jede Technik. Selbst im Winter steht der Winzer auf seinem Weinberg - und stutzt die Reben.

Susann Hanauer kümmert sich nach der Arbeit im Weinberg im Büro um den Vertrieb und versucht, das Kundennetz weiter auszubauen. Und auch das ist ein harter Job. Die meisten Weine gehen nach Deutschland, aber auch in andere europäische Länder - zum Beispiel an einen Bioladen in Brasov in Rumänien. Aber jeglicher Export ist mit einem aufwendigen doppelten Zollprozedere verbunden und ohne einen inländischen Berater nicht zu bewältigen.

Der Tatsache, dass Hummel seither zwischen Berlin und Villany pendelt, ist es vermutlich zu verdanken, dass er Berlins vermutlich erfolgreichster Importeur von ungarischem Wein ist. "Teilweise habe ich die Weine einfach privat im Auto nach Berlin gebracht", erinnert sich der 50-Jährige grinsend. Mit dem Export der Weine hapert es nämlich noch, nicht nur bei den Ökowinzern. Das liegt einerseits wohl daran, dass die ungarischen Kunden viel höhere Preise für die Villanyer Weine zu zahlen bereit sind, weil sie wissen, dass diese preisgekrönt sind.

Die deutschen Konsumenten dagegen erwarten von einem osteuropäischen Wein, dass er billig ist. "Das Prestige des ungarischen Weins entspricht in Deutschland eben noch nicht der Qualität, die er längst hat", erklärt Hummel. Aber es gibt auch noch eine andere Erklärung, so Waßmann: "Die Villanyer Tropfen sind hierzulande so beliebt - da bleibt kaum etwas für den Export übrig."

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