Sven Giegold über Bankenlobby: "Eine unglaubliche Übermacht"

Der Lobby-Einfluss der Banken in der EU ist groß. Finance Watch werde dagegenhalten, diene dem Gemeinwohl und werde so Einfluss erhalten, sagt der grüne EU-Parlamentarier Sven Giegold.

Ihre Macht ist nicht lokal begrenzt: Banken in Frankfurt am Main. Bild: dpa

taz: Herr Giegold, warum haben Sie mit Ihren Kollegen zur Gründung einer Antibankenlobby aufgerufen?

Sven Giegold: In Brüssel gibt es eine unglaubliche Übermacht der Finanzindustrielobbyisten. Und es gibt keine starke Gegenstimme. Es ist nicht so wie in anderen Politikbereichen, wo sich Organisationen wie Brot für die Welt oder Greenpeace für die Belange der Allgemeinheit einsetzen und die Interessen der Bürger vertreten. Das führt zu einem Ungleichgewicht in der Politik.

700 Bankenlobbyisten arbeiten in Brüssel mit einem Jahresetat von 300 Millionen Euro. Hat Finance Watch eine Chance?

Natürlich. Auch wenn Finance Watch klein anfangen wird, hat diese Organisation den großen Vorteil, dass sie Gemeinwohlinteressen vertritt. Solch eine Lobby findet viel mehr Gehör in Politik und Öffentlichkeit als diejenigen, die nur von ihren Gewinninteressen geleitet werden.

Wo erwarten Sie Unterstützung für Finance Watch?

Das Hauptproblem sind nicht die Hedgefonds oder andere Nebenakteure, sondern die Banken selbst. Im Sommer wird die Europäische Kommission ihren Richtlinienvorschlag zur Eigenkapitalausstattung der Banken vorstellen. International hat man sich bereits darauf geeinigt, als Konsequenz aus der Finanzkrise das Eigenkapital der Banken zu erhöhen. Aber zurzeit betreiben die Banken massives Lobbying, um das zu ändern. Da muss Finance Watch eingreifen.

Worum genau geht es bei dieser Richtlinie?

Banken müssen entsprechend dem jeweiligen Risiko von Finanzgeschäften Eigenkapital vorhalten. Dabei haben sie aber Möglichkeiten, ihre Zahlen schönzurechnen. Deshalb ist eine neue Art Schuldenbremse vorgesehen: Banken müssen mindestens 3 Prozent Eigenkapital für jedes Geschäft mitbringen. Das wollen vor allem auch deutsche Banken verhindern und setzen uns Abgeordnete entsprechend unter Druck. Außerdem werden wir in den kommenden Wochen diskutieren, ob die Beratung durch Banken besser kontrolliert werden soll.

Was kann Finance Watch tun?

Finance Watch sollte eigene Vorschläge machen, die über den internationalen Kompromiss hinausgehen, um ein Gleichgewicht herzustellen. Ich wünsche mir, dass Finance Watch eigene Ideen entwickelt sowie Argumente gegen die Forderungen der Banken, mit denen wir Abgeordnete dann arbeiten können. Außerdem sollte Finance Watch offenlegen, wer in der Brüsseler Finanzpolitik Lobbying betreibt und mit welchen Zielen.

Welche Lobbyisten melden sich bei Ihnen?

Das ist ganz unterschiedlich. Manchmal hat es gar nichts mit meinen Politikfeldern zu tun. Der Verband der Automobilindustrie hat mir zum Beispiel ein Kartenspiel mit Luxusautos geschickt. Aber es kommen natürlich alle möglichen Finanzmarktakteure, zum Beispiel die Deutsche Bank, Sparkassen oder auch die Allianz zu mir. Das sind mehrere Anfragen täglich. Ich treffe die eigentlich ganz gern, es fehlen nur die Gegenspieler.

Welche Rolle werden Sie bei Finance Watch spielen?

Wir Abgeordneten haben die Initiative gestartet. Aber jetzt überlassen wir die Gestaltung der Zivilgesellschaft. Die interessierten Abgeordneten werden nur noch in einem Beirat ohne Entscheidungskompetenzen sitzen. Finance Watch soll ja die Bürger repräsentieren und nicht die Abgeordneten des Europäischen Parlaments.

INTERVIEW

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.