Wer zieht ins Schloss ?

KANDIDATEN Zwei Monate ließ Christian Wulff alle Vorwürfe an sich abprallen. Nun ist er zurückgetreten. Wer folgt?

AUS BERLIN GORDON REPINSKI

Kaum hatte die Nachricht vom Rücktritt des Bundespräsidenten in Berlin die Runde gemacht, begannen die Überlegungen in den Parteien: Wer könnte Nachfolger Christian Wulffs werden? Dabei wurde am Freitag von Kanzlerin Merkel versucht, SPD und Grüne an Bord zu holen. Das Ziel: gemeinsam eine Person zu finden, die man vorschlagen kann. Wer ist in der Diskussion?

Der alte Partei-Recke – Wolfgang Schäuble. Wenn in den vergangenen Jahren ein Bundespräsident zu bestimmen war, fiel immer ein Name, er soll auch hier nicht fehlen: Wolfgang Schäuble. 2004 wollte der heutige Bundesfinanzminister Bundespräsident werden, die FDP verhinderte es. Am Ende wurde es Horst Köhler. Als dieser 2010 zurücktrat, wurde Schäuble wieder gehandelt. Damals kämpfte der allerdings mit seiner Gesundheit, wurde zudem in der Finanzkrise gebraucht. Es wurde Christian Wulff.

Im Interview mit der taz sagte Schäuble vor wenigen Wochen über das Jahr 2004: „Ich bin nicht unglücklich, dass es anders gekommen ist.“ Schäubles Makel ist, dass nichts an ihm überparteilich ist, Schäuble ist CDU, die CDU Schäuble. Auf Stimmen aus der Opposition dürfte er nicht hoffen, seine Wahl wäre unsicher. Das ist zu viel Risiko – für ihn und für Angela Merkel.

Der Geläuterte – Klaus Töpfer. Lange Jahre war Klaus Töpfer Parteimensch wie Schäuble. Doch als Töpfer das Umweltressort unter Helmut Kohl aufgab und bei der UN-Umweltorganisation Unep in Nairobi begann, sich für globale Klimathemen einzusetzen, änderte sich mit Töpfer sein Ansehen in Bevölkerung und Politik.

Schon 2010 war Töpfer als Kandidat gehandelt worden, der überparteilich Zustimmung erreichen könnte. Auch jetzt ist er ein Thema. Die SPD ist bei der Personalie gespalten. Manche zeigen sich aufgeschlossen – andere sehen in ihm ein schwarz-grünes Signal. Deshalb wäre auch die Unterstützung der FDP nicht sicher.

Möglichkeit 3: Der „Präsident der Herzen“ – Joachim Gauck. Grünen-Chefin Claudia Roth hat am Donnerstag in einem Fernsehinterview einen Satz gesagt, den man oft aus der Opposition gehört hat: „Es hätte ja einen anderen Kandidaten gegeben, der große Zustimmung im Volk hatte.“ Gemeint war Joachim Gauck. Wulffs rot-grüner Gegenkandidat aus dem Jahr 2010. Der ehemalige Leiter der Stasiunterlagenbehörde könnte bei der Suche nach einem neuen Kandidaten ein interessanter Fall werden. Würde Merkel ihn vorschlagen, könnten SPD und Grüne kaum die Zustimmung versagen. Das besondere an Gauck ist allerdings, dass seine Kandidatur der vielleicht brillanteste PR-Schachzug der Opposition in den vergangenen zwei Jahren war – mehr aber aus rot-grüner Perspektive auch nicht.

Denn Gauck ist im Herzen konservativ-liberal. Wenn er sich öffentlich zu Wort meldete, dann mit der Forderung nach mehr Eigenverantwortung, oder indem er die Occupy-Bewegung als albern einstufte. Nicht selten war nach der Wahl Wulffs zum Bundespräsidenten aus den Reihen der SPD unter der Hand zu hören, man sei über die Entscheidung, dass es Gauck nicht werde, irgendwie ganz glücklich. Jetzt hört sich das wieder anders an. Natürlich wäre Gauck die beste Wahl, heißt es aus Partei und Fraktion einstimmig. Was sollte man auch anderes sagen?

Ungebrochen ist die Beliebtheit Gaucks im Volk: 31 Prozent sprachen sich in einer Forsa-Umfrage im Januar für Gauck als neuen Bewohner des Schlosses Bellevue aus – keine(r) hatte mehr Zustimmung.

Die Bundestagsvizepräsidentin – Katrin Göring-Eckhard. Die Grünen-Politikerin hat sich parteiübergreifend Respekt erarbeitet. Während der Wendezeit war sie als Bürgerrechtlerin aktiv und ist Gründungsmitglied des Bündnis 90, das später mit den Grünen fusionierte. Die 45-Jährige wurde 2009 zur Präses der Synode der Evangelischen Kirche gewählt. Allerdings dürfte Göring-Eckhart bei SPD und FDP kaum eine Chance haben. Denn ein klareres schwarz-grünes Signal für 2013 könnte man kaum geben. Doch dafür ist die bisherige Kooperation von Union und Grünen zu fragil, auch die Mehrheit in der Bundesversammlung wäre knapp.

Wer wird es also? Am Samstag, so hört man, könnte ein gemeinsamer Vorschlag genannt werden. Vielleicht wird es ja jemand ganz anderes. Die perfekte Kandidatin, wenn man schon am zweifelhaften Amt des Bundespräsidentin festhalten will. Eine Frau, die tatsächlich überparteilich ist, nicht von der Tagespolitik verbraucht, glaubwürdig. All das eben, was durch Christian Wulff verloren gegangen ist.