Parade statt Randale

FEST II Auch in Hamburg war es friedlicher. Tausende feierten die „Euro Mayday“

AUS HAMBURG MARCO CARINI

Die erwartete Randale blieb weitgehend aus. Nur vereinzelt flogen Feuerwerkskörper, Steine und Flaschen im Hamburger Schanzenviertel auf Polizeikräfte. Die erstickten schon durch ihre zahlenmäßige Präsenz weitere Scharmützel im Keim und machten nur sparsamen Gebrauch von den mitgeführten Schlagstöcken und bereitstehenden Wasserwerfern. Fünf Beamte und wenige Demonstranten wurden – zumeist leicht – verletzt, 28 Personen fest- und 17 in Gewahrsam genommen – weit weniger als noch im Mai 2011.

Damit setzt sich die Tendenz der Vorjahre fort: Hatten noch bis 2010 regelmäßig Straßenschlachten zwischen der Polizei und vermummten Politaktivisten getobt, ging es schon im vergangenen Jahr deutlich gesitteter zu. Diese Entwicklung hat mehrere Gründe: Zum einen hat die Polizei die Lage seit 2011 besser im Griff.

Voriges Jahr ließ der frisch gebackene Hamburger Innensenator Michael Neumann (SPD) das Schanzenviertel und weite Teile des benachbarten Eimsbüttels und des Uni-Areals zum Gefahrengebiet erklären und absperren. Selbst betagte Bürger, die Freunden eine Geburtstagsvisite abstatten wollten, mussten an den Polizeikontrollen unverrichteter Dinge umkehren. Diesmal sorgten rund 1.000 Beamte im Schanzenviertel für eine zahlenmäßige Übermacht, die manche der Randale nicht abgeneigte Demonstranten gar nicht erst auf dumme Gedanken kommen ließ.

Doch auch die sogenannte Szene ist gespalten: Immer mehr Autonome kritisierten in den vergangenen Jahren, das zumeist zugereiste Jugendliche aus Hamburger Vororten ohne erkennbar politischen Hintergrund ihr „Wohnzimmer“, den Bereich vor dem autonomen Zentrum „Rote Flora“, durch brennende Barrikaden und Straßenschlachten verwüsteten. Zudem hatten diese anschließend in der Flora Schutz gesucht und damit dort Polizeieinsätze provoziert.

So ist das linksradikale Spektrum bei den „Mai-Krawallen“ kaum noch aktiv: Die einen kehren nach der „revolutionären Mai-Demo“ nicht mehr ins Schanzenviertel zurück, die anderen besuchen gleich die Euro-Mayday-Parade, die seit sechs Jahren all diejenigen anzieht, die sich weder auf der offiziellen Gewerkschaftskundgebung noch in den „revolutionären“ Mai-Unruhen wiederfinden. Bunt und laut, ergänzt durch eine Prise Antikapitalismus, lautet das Motto dieser Kreuzung aus Schlager-Move und konventioneller Latschdemo, die sich thematisch vor allem mit der Verdrängung angestammter Wohnbevölkerung durch Mietwucher und teure Neubebauung auseinandersetzt. Rund 2.500 Personen, die meisten keine 30 Jahre alt, zog der Euro Mayday diesmal an – doppelt so viele wie der anschließende „revolutionäre“ Maimarsch der etwas radikaleren Linken.