Eröffnung des Berliner Fughafens unklar: Planlos in Schönefeld

Was alles kostet, weiß keiner. Aber nicht nur Airlines und Passagiere sind sauer. Auch Geschäftsbetreiber und die Anwohner von Berlin-Tegel sind gar nicht erfreut.

Stillleben auf dem Berliner Großflughafen Bild: dapd

BERLIN taz | Immerhin: Die „Publikumstage“ auf der Großbaustelle wurden nicht verschoben. Am vergangenen Wochenende konnten Besucher den fast fertigen Flughafen Berlin-Brandenburg (BER) besichtigen.

Innen bearbeitet gerade ein Bauarbeiter die Bodenplatten, durch die Glassfassade beobachtet von zwei Herren in den Sechzigern mit Fotoapparat um den Hals. „Der Brandschutz war nur eine Ausrede für die Verschiebung – es kommt doch ganz vieles zusammen“, glaubt Herr Neldner aus Zehlendorf. „Es ist schwachsinnig, Tegel und Schönefeld zu schließen – so dumm kann nur Berlin sein!“, findet sein Begleiter Herr Seemann aus Lichtenrade.

Auf dem Platz vor dem Terminal dominieren Fressbuden und die Werbestände der Airlines. Auch Klaus Wowereit und Rainer Schwarz, Geschäftsführer der Flughafengesellschaft, sind vorbeigekommen. Um 13 Uhr treten sie, die seit Tagen im Fokus der Kritik stehen, vor das Publikum. „Sie können heute sehen, wie weit es vorangegangen ist“, ruft der Bürgermeister, in eine dicke schwarze Jacke gehüllt. Hämisches Gejohle antwortet ihm. Daneben steht ziemlich regungslos Rainer Schwarz im Anzug.

Der neue Großflughafen Berlin-Brandenburg International (BER) wird die drei Berliner Flughäfen ersetzen: den bereits geschlossenen Innenstadtflughafen Tempelhof, den Flughafen Tegel und den ehemaligen DDR-Hauptstadtflughafen Schönefeld. BER wurde auf der grünen Wiese südlich des bisherigen Flughafens in Schönefeld errichtet und soll insgesamt rund 2,8 Milliarden Euro kosten.

Vorangegangen waren mehr als 20 Jahre Planungen und Querelen. Zunächst konnten sich die Flughafeneigner – die Bundesländer Berlin und Brandenburg sowie der Bund – nicht auf einen Standort einigen. 1996 fiel die Wahl auf Schönefeld. Später scheiterte die geplante Privatisierung des Projektes.

Anwohner, die sich jahrelang vor Fluglärm sicher wähnten, fühlten sich verschaukelt, als die Deutsche Flugsicherung die Routen für startende und landende Maschinen konkretisierte.

Den Termin für die Eröffnung hatten die Betreiber zuvor bereits mehrfach verschoben – allerdings nie so kurz vor knapp wie zuletzt. Die Werbepleite „Willy Brandt begrüßt die Welt“. Mit dieser Botschaft werben die Flughafenplaner für die Eröffnung des neuen Hauptstadtflughafens, der nach dem ehemaligen Bundeskanzler Willy Brandt benannt ist. Rund eine Million Euro kostet die Kampagne, die unter anderem einen Film, Großplakate und bemalte Busse umfasst. Begründung für die Werbeaktion war: Der Eröffnungstermin am 3. Juni müsse bekannter werden. Das hat sich nun erledigt und die Werber müssen handeln. Auch die große Eröffnungsparty muss abgesagt werden; rund 10.000 Gäste aus aller Welt werden wieder ausgeladen. (rot)

Baulich fertig

„Der Flughafen ist baulich fertig – aber noch nicht technisch“, sagt er. Dann ein Satz, für den es vereinzelt Applaus gibt: „Die Mitarbeiter auf der Baustelle können wirklich nichts dafür. Verantwortlich sind die Planer und die Zuständigen für die Umsetzung.“ Wowereit verspricht, dass die Verschiebung aufgearbeitet und gegebenenfalls personelle Konsequenzen gezogen würden. „Ich hoffe, dass wir nach der nächsten Aufsichtsratssitzung am Mittwoch einen neuen Termin haben“, sagt Wowereit.

Fast eine Woche ist es nun her, dass Berlin und Brandenburg die Notbremse zogen und die Eröffnung am 3. Juni absagten – aber wann der neue Großflughafen in Berlin-Schönefeld nun wirklich an den Start geht, steht immer noch in den Sternen. Allerdings verdichten sich die Indizien dafür, dass der Flughafen wohl erst im Oktober eröffnet, wenn der Winterflugplan in Kraft tritt. Umzug und Flugplanwechsel miteinander zu verbinden, ist für die Fluggesellschaften logistisch leichter zu bewerkstelligen.

Zwei der wichtigsten Gesellschaften in der Hauptstadtregion, Air Berlin und die Lufthansa, setzen auf einen Zeitpunkt, der technisch und organisatorisch leistbar ist; eine neue Terminpleite wollen sie unbedingt vermeiden. Er wünsche sich den Umzug erst für die Zeit nach Abschluss des Sommerflugplans, der „in Deutschland und Europa nicht im August, sondern im Oktober endet“, sagte Air-Berlin-Chef Hartmut Mehdorn. Und Lufthansa-Sprecher Wolfgang Weber sagte der taz: „Wir möchten, dass der Flughafen eröffnet wird, wenn ein sicherer und stabiler Flugbetrieb garantiert ist.“

Problematischer als die Eröffnung im Oktober wäre ein Termin im September gewesen: Denn die Internationale Luft- und Raumfahrtausstellung (ILA) findet im September am alten Flughafenstandort in Schönefeld statt. Wegen des Flughafeneröffnungstermins am 3. Juni war die ILA, die traditionell im Frühsommer stattfindet, bereits verschoben worden, weil zwei Großereignisse – Flughafeneröffnung und Flughafenmesse – parallel kaum zu bewerkstelligen sind. Öffnet der Großflughafen erst im Oktober, bliebe die ILA davon unbehelligt.

Folgen und Kosten, die durch die Verschiebung des Eröffnungstermins entstehen, sind noch nicht abzusehen. Doch allein die öffentliche Flughafengesellschaft soll monatlich 15 Millionen Euro zahlen müssen, heißt es gerüchteweise in Berlin. Groß ist der Aufwand auch für die Airlines: Neben der Lufthansa plant auch Air Berlin, ab Juni zusätzliche Flüge in Tegel durchzuführen, und fordert, das dortige Nachtflugverbot vorübergehend zu lockern – für Zehntausende Berliner in Pankow, Wedding und Spandau könnten die Sommernächte also laut werden.

Schwierigkeiten für Geschäfte

Während die Folgen für Passagiere überschaubar sind, trifft es vor allem Einzelhändler und Gastronomen hart, die ab Juni in Schönefeld ihr Geschäft eröffnen wollten. „Besonders Geschäfte mit großem Personaleinsatz werden Schwierigkeiten bekommen“, sagte der Berliner Einzelhandelschef Nils Busch-Petersen. Denn diese hätten ihre neuen Mitarbeiter bereits vertraglich verpflichtet. Ihnen soll unbürokratisch geholfen werden, versprach Wowereit.

Umplanen müssen auch die Verkehrsanbieter. „Alle Verbindungen nach Schönefeld bleiben zunächst einmal wie bisher“, sagte eine Sprecherin des Berlin-Brandenburger Nahverkehrsverbandes. Das bedeutet: Die zusätzlichen Regionalzüge zum neuen Großflughafen, die Berlin und Brandenburg bestellen und bezahlen, sind vorerst nicht nötig.

Allerdings hatten sich die Fahrpläne längst darauf eingestellt und müssen nun wieder umgestellt werden. Besonderes Problem für die Planer: Da sie noch keinen neuen Eröffnungstermin kennen, haben alle ihre Berechnungen eine entscheidende Unbekannte.

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