Das wird Rio 2012

BERLIN taz | Die Probleme von Rio begannen schon damals. US-Präsident George Bush I. verkündete, der „amerikanische Way of Life stehe nicht zur Debatte“ – und der europäische, ähnlich energie- und ressourcenfressende Lebensstil auch nicht. Zwei Jahre später, 1994, wurde in Marrakesch die Welthandelsorganisation WTO gegründet, die in der Globalisierung Ökonomie vor Ökologie stellte. Und statt einer Ära der Kooperation nach dem Ost-West-Konflikt brach der Graben zwischen Nord und Süd stärker auf: Schwellenländer wie China, Indien, Brasilien dominieren inzwischen internationale Verhandlungen. Die Industrienationen haben viele Versprechen aus Rio nicht gehalten, die Schwellenländer beanspruchen einen wachsenden Anteil an den knapper werdenden Ressourcen. Terror und „Krieg gegen den Terror“, das Bevölkerungswachstum und die globale Finanzkrise haben die Träume von Rio weiter in die Ferne gerückt.

Rio+20 soll einen Neuanfang machen. Große Verträge wie vor 20 Jahren liegen nicht auf dem Tisch. Es geht einerseits um Institutionen: Soll das UN-Umweltprogramm Unep zu einer ordentlich finanzierten UN-Organisation werden? Die Widerstände sind groß. Schließlich wollen die Staaten Ziele für eine nachhaltige Entwicklung („Sustainable Development Goals“) diskutieren, die ab 2015 die bisherigen „Millenniums-Entwicklungsziele“ (u. a. Halbierung der Armut) ablösen könnten. Neu daran wäre, dass sie auch die Industrieländer binden. So ist als Ziel ein „Zugang zu nachhaltiger Energie für alle“ im Gespräch. Zudem soll ein Hochkommissar für Nachhaltigkeit eingesetzt werden, um dem Thema auf höchster UN-Ebene ein Gesicht zu geben.

Wichtigster Punkt ist aber die „Green Economy(siehe Seite 3). Kritiker befürchten allerdings, sie könne die neue allgemein akzeptierte Leerformel werden, die „Nachhaltigkeit“ ablöst. Denn was grün ist, ist schwer zu definieren. So gelten etwa viele der öffentlichen Investitionen, mit denen die Industriestaaten 2008 aus der Krise kommen wollten, als ökologisch – für die EU erstaunliche 59 Prozent, in Südkorea gar 81. Die Definition von Green Economy sei auch eine Machtfrage, heißt es von Umweltgruppen. Greenpeace etwa fordert eine Energierevolution, den Stopp bei Entwaldung, Überfischung und Freisetzung von giftigen Chemikalien und mehr Ökolandbau. „Wir brauchen nicht tausend neue Konzepte, sondern mehr Durchsetzungsmacht für die vorhandenen Alternativen“, heißt es.

Schwer tun sich auch manche Schwellen- und Entwicklungsländer mit dem Begriff der „Green Economy“. Durch die Berechnung von Ökodienstleistungen auf Dollar und Euro, also beispielsweise der Wert des Waldes als Kohlenstoffspeicher, könnten Schäden taxiert werden, so dass der Regenwald oder die Atmosphäre nicht mehr kostenlos zur Verfügung stünden. Allerdings könne diese Sicht indigene Völker und Kleinbauern ausgrenzen, die sich kaum in Geldkreisläufen bewegen.

Für manche Länder des Südens ist „Green Economy“ nur ein neuer Trick der Reichen, um die Armen arm zu halten. Denn Umweltstandards könnten den Süden von Märkten fernhalten oder ihnen Chancen auf Wirtschaftswachstum verbauen: Wenn der Norden bestimme, was grün ist, und durch seine technologische Überlegenheit die passende Technik wie Solarzellen liefere, bestätige er nur die Abhängigkeiten und Ungleichgewichte in der Weltwirtschaft, so die Kritiker.

Das große Missverständnis der Rio-Konferenz von 1992: Die Industrieländer wollten über Umwelt reden. Der Rest der Welt über Wirtschaftswachstum. Ob beides zusammen geht, wird sich in der Neuauflage in Rio zeigen.  BPO