Das kleine Koalitions-Abc: Trittins feine Zwischentöne

BÜNDNIS Schwarz-Grün? Unmöglich, schon klar. Doch wenn Jürgen Trittin persönlich Sätze ins Wahlprogramm schreibt, sind Nuancen wichtig

BERLIN taz | Der Änderungsantrag „BTW-PR-01-450“ ist, wenn man so will, das letzte, schwache Aufbegehren. Die Grünen-Delegierten mögen doch bitte den Passus im Wahlprogramm streichen, in dem betont wird, für eine Koalition mit der SPD zu kämpfen. „Die SPD ist nicht unsere Schwesterpartei“, begründen die Antragsteller. Sie kommen vor allem aus dem realpolitisch tickenden Kreisverband Frankfurt am Main. Der prominenteste Unterzeichner ist Dieter Janecek, Bayerns Landeschef, der immer mal wieder mit der schwarz-grünen Option geliebäugelt hatte.

Die trotzig klingende Initiative gegen einen rot-grünen Wahlkampf wird wohl auf dem Parteitag am Wochenende in Berlin flott und schmucklos beerdigt werden. So was habe keine Chance, sagen Grüne, die ihre Partei gut kennen. Zu einig sind sich alle Grünen im Bekenntnis zur SPD. Zu froh sind die Delegierten, dass die leidige Schwarz-Grün-Debatte endlich eingeschlafen ist. Und zu genial ist ein Trick der Spitzenkandidaten Jürgen Trittin und Katrin Göring-Eckardt, der die Debatte zur Zufriedenheit aller Flügel ein für alle Mal befrieden soll.

Es geht um die Präambel des Leitantrags. Sie definiert die Koalitionsstrategie und ist eine semantische Meisterleistung. Offiziell kommt sie vom Bundesvorstand, doch die wichtigen Absätze haben Trittin und Göring-Eckardt dem Vernehmen nach persönlich formuliert. Darin machen sie den „grünen Wandel“ zur Maßgabe. Und argumentieren strikt inhaltlich, warum sich dieser nur mit der SPD umsetzen lässt. So weit, so bekannt.

Doch dann wird es interessant. Denn nun folgen die Formulierungen zu den Parteien, mit denen die Grünen auf keinen Fall und niemals, nein, nie, nie, nie koalieren wollen.

„CDU und CSU blockieren den grünen Wandel“, schreiben die beiden wichtigsten Grünen. Man beachte das Verb. Über die Linkspartei heißt es dann, sie „steht abseits des grünen Wandels“. Und über die Liberalen ätzen die Grünen: „Die FDP ist eine Kampfansage an den grünen Wandel.“

Man muss kein Sprachwissenschaftler sein, um darin Nuancen zu erkennen. Eine feine, aber wichtige Abstufung. Blockaden lassen sich lösen, das ist der Sinn von Politik. Leute einzubinden, die abseits stehen, ist schon schwieriger. Und mit Feinden, die einem den Kampf ansagen, will man gemeinhin nichts zu tun haben. Anders gesagt: Alle außer der SPD sind doof, doch Linke und FDP sind doofer als die CDU.

Es ist perfekt. Die Grünen geben ein klares, inhaltlich begründetes Bekenntnis zur SPD ab, vermeiden aber gleichzeitig die Ausschließeritis früherer Wahlkämpfe. Die Meisterleistung solch Trittin’scher Semantik liegt in der vorgeblichen Entschiedenheit, die aber doch klitzekleine Spielräume lässt. Und sollte Trittin in stillen Minuten darüber nachdenken, am Wahlabend wenigstens mal mit Angela Merkel zu simsen, ließe diese Präambel vielleicht sogar einen Anruf zu. ULRICH SCHULTE