Razzia gegen Schwarze – Polizei begehrt auf

HAMBURG Polizei filzt Afrikaner, um 300 Flüchtlinge der sogenannten Lampedusa-Gruppe aufzuspüren

Mehrere Polizisten haben sich vor der Aktion wegen Bauchschmerzen krankgemeldet

HAMBURG taz | Die „Operation Lampedusa“ – eine konzertierte Aktion der Ausländerbehörde und der Polizei gegen schwarze afrikanische Flüchtlinge – hat in Hamburg zu Demonstrationen und Protesten der evangelischen Nordkirche geführt. Am Samstag demonstrierten rund 800 Menschen gegen die „rassistischen Personenkontrollen“ durch die Hamburger City zur Mahnwache der sogenannten Lampedusa Gruppe am Hauptbahnhof. Am Sonntag blockierten knapp 100 Menschen den Eingang des Rathauses, die Polizei begann am Nachmittag mit der Räumung.

Am Freitagmittag hatte die Polizei in Amtshilfe für die Ausländerbehörde überraschend damit begonnen, in mehreren Stadtteilen gezielt Schwarzafrikaner an vermeintlichen Treffpunkten zu kontrollieren. Ziel der Maßnahme ist es, die rund 300 libyschen Kriegsflüchtlinge der Lampedusa-Gruppe, die Anfang des Jahres mit italienischen EU-Papieren an der Elbe gestrandet sind, aufzustöbern und erkennungsdienstlich zwecks „Rückführung“ zu registrieren.

Vor allem die Region um Mahnwache und St.-Pauli-Kirche waren Ziel der Kontrollen. Eine von Innensenator Michael Neumann (SPD) und der Ausländerbehörde anberaumte frühmorgendliche Razzia in der St.-Pauli-Kirche ist indes abgeblasen worden, wie die taz aus Polizeikreisen erfahren hat. Örtliche Einsatzleiter hatten gegen den Plan „remonstriert“, also rechtliche Bedenken im Rahmen der Verhältnismäßigkeit und Menschlichkeit geltend gemacht. Zudem haben sich nach taz-Informationen mehrere Polizisten vor der Aktion wegen Bauchschmerzen krankgemeldet.

Mindestens 30 Afrikaner sind dennoch bei der Operation Lampedusa vorläufig festgenommen und der Ausländerbehörde vorgeführt worden. Trotz rechtlicher Einwände von Anwälten ließ die Leiterin der Ausländerbehörde, Johanna Westphalen, die Erfassung weiterlaufen. Innenbehörden-Sprecher Frank Reschreiter verteidigte die Operation gegenüber der taz als Akt der Humanität. Durch die Registrierungen würden die Flüchtlinge ihren „illegalen Status“ verlieren und bis zum Ende der – vorher schon offiziell als negativ erklärten – Einzelfallprüfung Aufenthaltspapiere erhalten.

St.-Pauli-Pastor Sieghard Wilm bezeichnet das Vorgehen des SPD-Senat daher auch als zynisch. „Letzte Woche haben wir noch die vielen Toten beim Untergang des Flüchtlingsboots beklagt, und heute werden traumatisierte Überlebende gehetzt.“ Der Vizebischof der Nordkirche, Probst Karl-Heinrich Melzer, befürchtet, dass der massive Polizeieinsatz jegliche humanitäre Hilfe zunichtemachen könnte. „Gerade angesichts der Diskussionen seit den jüngsten Lampedusa-Katastrophen hätte wir uns gewünscht, dass sich Hamburg in die internationale Nachdenklichkeit einreiht.“ Die flüchtlingspolitische Sprecherin der Hamburger Grünen, Antje Möller, verurteilte das Vorgehen des SPD-Senats als „unerträglich“. „Die Not der Flüchtlinge, die ihr Leben bei der Überfahrt retten konnten und als Flüchtlinge anerkannt sind, ignoriert der Senat weiterhin“, monierte Möller.

KAI VON APPEN