FDP-Politikerin über Netzneutralität: „Das war fast ein historischer Tag“

Die liberale EU-Abgeordnete Nadja Hirsch erklärt, warum es schlecht für alle ist, wenn große Anbieter wie Google das Internet beherrschen.

Hier, bei der EU-Kommission, findet die nächste Runde im Kampf um die Netzneutralität statt. Bild: dpa

taz: Frau Hirsch, am Donnerstag hat das EU-Parlament dagegen gestimmt, dass Internetanbieter einzelne Dienste bevorzugen dürfen. Weshalb?

Nadja Hirsch: Das war ein klares Statement des Parlaments an den Rat, die sogenannte Netzneutralität nicht in Frage zu stellen. Ich glaube, erst in zehn Jahren werden die Menschen wirklich verstehen, dass das heute ein fast historischer Tag war. Ohne Netzneutralität könnten sich bestimmte Anbieter eine Art Überholspur im Netz kaufen, um ihre Daten bevorzugt zu transportieren. Das Problem ist: Wenn einer eine Überholspur nutzt, müssen andere, die nicht zahlen können, warten. Zum Beispiel Start-ups, mittelständische Unternehmen oder NGOs. Der gleichberechtigte Fluss von Daten wäre zerstört. Das wollen wir als Liberale nicht.

Ist eine EU-Vorschrift gegen solche Angebote nicht ein Eingriff in den freien Markt?

Wir wollen Vielfalt statt Monopolbildung. Dazu gehört, dass jeder eine Chance hat. Das ist vorbei, wenn einzelne große Konzerne sich Vorteile erkaufen. Deswegen sind Vorschriften zur Sicherung der Netzneutralität kein unliberaler Eingriff in den freien Wettbewerb, sondern ermöglichen ihn.

Warum müssen kleine Start-ups, neue Internetfirmen, besonders geschützt werden?

Kunden von Videoplattformen wollen Filme ansehen, ohne dass diese wackeln oder abbrechen. Ein großer US-Player wie Youtube kann es sich leisten, viel Geld für die Überholspur zu zahlen. Dann müssten alle mit einem ähnlichen Geschäftsmodell, um mitzuhalten, denselben Preis zahlen. Neue Unternehmen könnten gar nicht erst starten und bestehende wegsterben.

Dann schaue ich meine Filme eben bei Youtube an.

In den nächsten zehn, fünfzehn Jahren wird sich die digitale Welt extrem entwickeln und eine richtige digitale Gesellschaft entstehen. Momentan gibt es eine starke Dominanz von Anbietern aus den USA. Wenn wir wollen, dass sich auch europäische Unternehmen durchsetzen, müssen wir ihnen die Möglichkeit dazu geben. Sie müssen mit guten Produkten auf den Markt einsteigen können, damit Kunden sich für sie entscheiden. Weil sie zum Beispiel europäische Datenschutzstandards bieten. Das Ende der Netzneutralität wäre das Fallbein für diese Start-ups. Und das betrifft letztlich jeden, der das Internet nutzt.

Ist das alles nicht nur ein Problem von Leuten, die im Internet Geschäfte machen wollen?

35, Europaabgeordnete der FDP, ist unter anderem medienpolitische Sprecherin der FDP und Vizepräsidentin der fraktionsübergreifenden Intergruppe für den Tierschutz im Europäischen Parlament.

Zwar müssten nicht die Verbraucher mehr Geld an die Internetprovider zahlen. Das tun die Unternehmen, die Dienste anbieten wollen. Wenn man aber einen Dienst nutzen will, der nicht zahlt, dann ist der vielleicht langsamer. Und wenn viele Nutzer zu den zahlenden Diensten wechseln, werden die anderen verschwinden. Als deren Nutzer ist man also auch betroffen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.