Winzig und einflussreich

GOLF Spagat des Emirs zwischen den Welten

ISTANBUL taz | Katar hat etwa 1,7 Millionen Einwohner – aber nur rund 300.000 davon sind Einheimische. Seit Jahren verzeichnet das einst bitterarme Land eines der höchsten Pro-Kopf-Einkommen der Welt. Den Reichtum verdankt der Golfstaat, der etwa halb so groß ist wie Hessen, der Erschließung seiner Erdöl- und Erdgasvorkommen. Mit dem Iran – Erzfeind seines Nachbarn Saudi-Arabien – teilt sich Katar das weltweit größte Erdgasfeld überhaupt.

Großvater, Vater und Sohn

Ehemals ein britisches Protektorat, erklärte sich Katar 1971 für unabhängig. Seitdem wird es von der Thani-Familie regiert. Im Jahr 1995 entmachtete Scheich Hamda bin Khalifa seinen Vater und leitete einen Modernisierungs- und Reformkurs ein. Der größte Coup gelang ihm 1999 mit der Gründung des Satellitensenders Al-Dschasira: Dessen Reporter konnten Dinge wagen und sagen, die im Nahen Osten tabu waren. Vor Kritik am eigenen Herrscher scheute der Sender allerdings genauso wie alle anderen zurück.

Im selben Jahr konnten die Katarer erstmals den Lokalrat wählen, wobei Frauen sowohl das aktive wie das passive Wahlrecht erhielten. 2005 stimmten sie einer Verfassung zu, die dem Emir eine beratende Versammlung zur Seite stellte: 30 seiner 45 Mitglieder werden vom Volk gewählt, 15 vom Emir ernannt.

Scharia: Quelle des Rechts

Die wirkliche Macht liegt beim Emir. Er ist Staatsoberhaupt und herrscht über Exekutive und Legislative. Der Islam ist Staatsreligion, die Scharia eine Quelle des Rechts. Im Juni 2013 erlebte Katar aber in gewisser Weise seinen eigenen Arabischen Frühling, als Scheich Hamad abdankte und den Stab an seinen Sohn Scheich Tamim übergab.

Wichtig für US-Militärs

Wie sein Vater, so setzt auch Scheich Tamim auf eine enge Anbindung an Amerika. Katar beherbergt die Außenstelle des Zentralkommandos der US-Streitkräfte und ist Nahtstelle für deren Militäreinsätze von Nordafrika bis Zentralasien.

Mit Scheicha Moza, der Mutter des jetzigen Emirs, spielte erstmals am Golf auch eine Frau eine wichtige öffentliche Rolle. Sie ist die Chefin der einflussreichen Qatar Foundation, über die das Herrscherhaus nicht nur wohltätige Einrichtungen, sondern auch Oppositionelle in anderen Ländern unterstützt. Zudem gilt sie als seine Triebfeder für Reformen im Bildungssektor, vor allem die Ansiedlung von Niederlassungen ausländischer Universitäten.

Katastrophal für Arbeiter

Den Katarern ginge es längst nicht so gut ohne die Ausländer, die auf den Baustellen schuften. Diese haben aber keine Rechte, die Arbeitsbedingungen sind oft katastrophal. Das und Korruptionsvorwürfe überschatten die Fußballweltmeisterschaft 2022, mit der Katar auch sportlich den Sprung in die Weltspitze schaffen wollte. INGA ROGG