Ein Pseudonym für den Verfassungsschutz

NACHRUF Mit der ALB sterben auch einige der bekanntesten deutschen Autonomenfiguren: die Laumeyers

BERLIN taz | Es ist auch eine Beerdigung. Mit der Erklärung, in der die Antifaschistische Linke Berlin (ALB) am gestrigen Dienstag ihre Auflösung bekannt gab, wurde nicht nur eine politische Gruppe begraben – sondern vermutlich auch eine Autonomenfamilie, die in den letzten Jahren zu den festen Instanzen der bundesdeutschen Bewegungslandschaft gehörte: die Laumeyers.

Kaum ein anderes Pseudonym im linksradikalen Lager hat so kontinuierlich für den Spagat gestanden, der unter den Berliner Autonomen auch immer Debatten auslöste: einerseits eine dosierte Medienarbeit zu betreiben, andererseits die Verfolgung von Aktivisten abzuwehren und nicht zu viele Geheimnisse über das eigene Tun und Denken preiszugeben.

Laumeyer – das stand daher für ein Pseudonym, dessen sich im Laufe der Geschichte der ALB immer neue Aktivistinnen und Aktivisten bedienten. Zuletzt hatte Lars Laumeyer im November 2013 in der taz Einzelheiten zur Silvio-Meier-Gedenkdemo in Berlin kommentiert. Die große Bühne betrat zuvor bereits ein Blondschopf namens Tim Laumeyer, als er bei den Protesten gegen den G-8-Gipfel in Heiligendamm auch vor laufenden Kameras Statements gab. Das gab Ärger, denn vielen in Tims politischem Umfeld gingen seine Äußerungen viel zu weit.

Schon 2001, noch ehe die ALB überhaupt gegründet wurde, trat Christian Laumeyer in Erscheinung – damals im Namen der Antifaschistischen Aktion Berlin (AAB), aus der heraus später die ALB entstand. Damals kündigte Laumeyer an, die Antifaschisten würden sich mit Fotoapparaten vor Polizeidienststellen postieren, um eine Lichtbildkartei Berliner Polizisten anzulegen. „Der Sinn ist, Straftäter in den Reihen der Polizei nach Übergriffen leichter identifizieren zu können“, so Christian Laumeyer damals in der taz.

Die Polizei fand das nicht lustig – später schafften es die Laumeyers in den Berliner Verfassungsschutzbericht. „Mit unter dem Pseudonym ‚Laumeyer‘ auftretenden Sprechern erreicht [die Gruppe] zeitweilig Resonanz bis in die bürgerlichen Medien hinein“, notierten die Verfassungsschützer 2013.

Lars, Tim, Anna, Christian oder Sven Laumeyer – sie alle sprachen in den letzten Jahren im Namen der ALB mit der Presse. Am gestrigen Dienstag war damit Schluss, nicht mal ein letztes taz-Interview war drin. „Niemand kann mehr im Namen der Gruppe sprechen“, hieß es. Mit der ALB wurden auch die Laumeyers Geschichte. MARTIN KAUL