Die deutschen Bios töten erst mal weiter

ERNÄHRUNG Tierschützer fordern, dass auch hierzulande die Öko-Branche mit gutem Beispiel vorangehen soll. Doch die hat die österreichische Vereinbarung noch gar nicht richtig wahrgenommen

BERLIN taz | Allein im Bundesland Niedersachsen werden jährlich fast 30 Millionen Eintagsküken gleich nach dem Schlüpfen getötet – weil sie männlich sind, keine Eier legen und somit keinen ökonomischen Nutzen haben. Das betrifft mittelbar auch die Biobranche. Zwar halten die meisten deutschen Bio-Hennenhalter gar keine Hähne, denn sie kaufen ihre Küken in der Regel bei konventionellen Brütereien. Dort werden die männlichen Küken geschreddert oder mit Gas beseitigt.

Dass die österreichische Bio-Branche das Töten beendet, erhöht den Druck auf die deutsche Ökowirtschaft. Die Tierschutzorganisation Vier Pfoten, die die Branchenvereinbarung in Österreich angestoßen hatte, forderte einen ähnlichen Beschluss in Deutschland. Die Slow-Food-Vorsitzende Ursula Hudson sagte: „Jetzt gibt es jedenfalls keine Ausreden mehr.“

Doch die deutschen Bioverbände haben die österreichische Einigung bisher kaum wahrgenommen, obwohl sie bereits vor einem Monat bekannt geworden ist. Er kenne zu wenig Details, sagte Steffen Reese, Geschäftsführer von Naturland. Reeses Amtskollege vom Dachverband BÖLW, Peter Röhrig, sagte, er wisse nicht, wie seine Mitgliedsorganisationen zu dem Thema stünden. Bioland ließ eine taz-Anfrage bis Redaktionsschluss unbeantwortet. Reese ergänzte immerhin: „Wenn die Österreicher einen Weg gefunden haben, sollten wir das als Chance begreifen und gucken, wie wir das auf Deutschland übertragen können.“ Bisher gibt es nur Nischenprojekte wie etwa die „Bruderhahn-Initiative“ oder „Ei-Care“, die männliche Küken am Leben lassen und aufziehen. Der Marktanteil ist verschwindend gering.

Politisch und juristisch ist das Thema virulent. 2014 hatte die Staatsanwaltschaft Münster die übliche Tötungspraxis der Küken als Straftat bezeichnet, weil kein Wirbeltier ohne vernünftigen Grund getötet werden dürfe. Nordrhein-Westfalens Umwelt- und Agrarminister Johannes Remmel hat daraufhin in seinem Bundesland die Ordnungsbehörden angewiesen, den Brütereien das Töten der Küken zu verbieten. Dagegen haben die Brütereien geklagt und vorerst Recht bekommen.

Inzwischen hat Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) angekündigt, bis 2017 das Kükensterben durch Geschlechtsbestimmung im Ei zu stoppen. Danach beseitigt man die männlichen Embryonen. Die Technik ist aber noch nicht marktreif.

JOST MAURIN, MANFRED KRIENER