Fein und filigran

Natalie Tenbergs Gastro- und Gesellschaftskritik: Hausgemachte Speisen und fremdes Mobiliar – die Verbindung von Café und Geschäft gelingt

Eine Gruppe aufgepumpter junger Männer zieht an dem Café & Salon Eigenartich in Berlin-Pankow vorbei. Sie sehen aus, als würden sie hauptberuflich schwere Klaviere in höher gelegene Altbauetagen schleppen. Wie es um ihre friedliche Gesinnung steht, kann man deutlich an ihrem T-Shirt ablesen, da steht nämlich dick und fett „Terror“ drauf. Es ist Sonntag in Pankow, und die Gäste, die vor dem Eigenartich in der Sonne sitzend warten, halten in der Konversation inne, bis diese Gruppe vorbeizieht. Dass sie ins Eigenartich gehen würden, scheint sowieso fast ausgeschlossen. Alles Grobschlächtige wirkt dort deplatziert.

Der kleine Cafébetrieb mit seinen vier bis fünf Tischen ist in einem Antiquitäten- und Trödelgeschäft untergebracht, in dem sehr viel Filigranes und Feines auf engem Raum herumsteht. Bilderrahmen, Sofas und Kronleuchter, ein Teeservice hier, Schuhspanner dort. Die Gäste, alternativ angehauchte Menschen um die 30, sitzen in diesem geordneten Durcheinander mitten in der Verkaufsware. Der Latte macchiato wird nicht wie in fast allen anderen Berliner Lokalen im Glas vom schwedischen Einrichter serviert, sondern im reich verzierten Minipokal, der Zucker mit Zuckerzange im Schälchen. Dazu ein Glas mit Wasser auf Untertasse, ein Tellerchen mit einem Stückchen Kuchen. So liebevoll wie im Eigenartich wird selten ein Kaffee serviert. Als Tagesgericht gibt es Eintopf mit grünen Bohnen, mit weißen und eine vegetarische Variante. Der Eintopf mit grünen Bohnen, Rindfleisch und Kartoffeln dampft zwar kräftig, als er an den Tisch gebracht wird, ist aber trotzdem teilweise eher lauwarm als heiß. Dieses Mikrowellensymptom ist das Einzige, was man am Eigenartich aussetzen kann, aber lieber einen lau aufgewärmten hausgemachten Eintopf als gut temperiertes Dosenfutter. Anders als es in Berlin inzwischen üblich geworden sein scheint, kann der Gast hier nachsalzen, mit einem kleinen weißen Salzstreuer, auf dem eine kleine blaue Windmühle prankt und auf dessen Unterseite noch das Fünf-Euro-Preisschild klebt. Nein, zu Hause braucht man so etwas nicht, im Café aber hat das einen reminizenten Charme. Empfehlenswert ist auch die selbstgebackene Möhrentorte mit Mandeln.

Es gibt nicht viele Cafés, in denen sich der Gast so gut aufgehoben fühlt wie im Eigenartich. Das liegt weniger am Nippes drinnen oder den finsteren Zeitgenossen draußen, sondern an der Liebe zum Detail und der freundlichen Art, mit der man hier dem Gast begegnet.

CAFÉ & SALON EIGENARTICH, Florastraße 67, 13187 Berlin, (0 30) 88 66 89 72, Mo–Fr 16–22 Uhr, Sa–So 10–22 Uhr, U- und S-Bahnhof Pankow, Milchkaffee EUR 2,50, Frühstück ab EUR 2,70, Möhrentorte EUR 1,90