Jukebox

Heute, 27 Jahre nach der musikalischen Revolution

Am 1. August im Jahr 1981 wurde in den Vereinigten Staaten von Amerika wieder Revolution gemacht: Eine Sekunde nach Mitternacht nahm das Music Television mit einem Video zum Buggles-Song mit dem programmatischen Titel „Video Killed the Radio Star“ den Sendebetrieb auf. Man kann es nicht groß genug schreiben: MTV war in der Welt.

Die in Videos visualisierte Musik, deren Bilder mit den Songs selbst nicht viel zu schaffen haben mussten, hat in der Folge natürlich zu aus heutiger Perspektive geradezu rührend besorgten Debatten geführt, in denen es – wie stets bei Popmusik – gar nicht um die Musik ging. Ein treuer Begleiter war ihnen der Kulturpessimismus. Popjournalist Greil Marcus sprach von einer „semiotischen Pornografie“. „Im Video triumphiert die Idee, dass eine Pop-Schallplatte für den bloßen Verkauf da ist“, erkannte deprimiert sein Kollege Paul Morley. Tom Ward konstatierte schlicht: „MTV besteht aus nichts anderem als Reaganianismus.“ Weil nämlich der chauvinistische US-Konservatismus nirgends unverhohlener zum Ausdruck gebracht sei als in der Bilderwelt der Videoclips.

Nachlesen kann man diese Argumente in einem auch schon älteren Aufsatz des Popmusikprofessors Peter Wicke über „Glanz und Elend des Musikvideos“. Aber auch angesichts der einst viel beschriebenen, beschworenen, beargwöhnten Rasanz der Schnittfrequenzen der Videos muss man heute vielleicht doch erklären, was MTV und die daran anknüpfenden Musikvideosender eigentlich waren. Nämlich genau das. Eine Dauerwerbesendung für Popsongs mit Musikvideos. Dauerwerbesendungen sind MTV und der Rest immer noch, nur dass man heute Glück haben muss, um mal drei Videos am Stück hintereinander zu sehen. Der Rest: Werbung. Manchmal sogar mit Musikbezug.

Was haben die Musikvideosender also gebracht? Sagen wir mal die, tja, frechen Moderatorinnen-Mädels hier, die jetzt anderweitig Fernsehen oder sonstige Medienarbeit machen. Charlotte Roche, Sarah Kuttner, Jessica Schwarz. Und der Popmusik? Weiß man nicht. Der Popmusikindustrie? Einen Aufschub, den sie bis zur weiteren Abwicklung heute noch verwaltet.

Am besten hört man noch einmal in dieses Lied hinein, in „Video Killed the Radio Star“: Oh-a-aho oh / Video killed the radio star / In my mind and in my car, we can’t rewind we’ve gone to far / Pictures came and broke your heart …

Kein Weg zurück, zu weit gegangen. THOMAS MAUCH