Zweierlei Traditionspflege: The Unlimiters schätzen den frühen Ska und Sister Fa will ihre afrikanische Heimat nicht einfach so vergessen

Nun liegt Berlin bekanntlich nicht eben in der Karibik. Die Stadt gab sich allerdings eine Zeit lang ziemlich Mühe, genau diesen Eindruck zu erwecken. Da wurde an jeder Ecke eine Lkw-Ladung Sand abgekippt, um eine Strandbar zu eröffnen, und jeder Meter Kanal mit einer Freiluftkneipe verziert. Und zu den erfolgreichsten Exportprodukten von der Spree gehören der vom Reggae beeinflusste Pop von Culcha Candela, Seeed oder deren Frontmann Peter Fox.

Doch in Berlin muss offensichtlich nicht notgedrungen so eine überaus urbane, ziemlich westeuropäische Variante des Off-Beat entstehen. Das geht auch anders, sehr traditionell nämlich: The Unlimiters klingen auf ihrem gleichnamigen Debüt-Album nicht nur wie direkt aus Jamaika importiert, sondern sogar wie aus den dortigen Sechzigern nach Berlin gebeamt. Ihr Ska ist nicht annähernd so rüde, wie man ihn von anderen deutschen Bands wie Blechreiz oder Busters kennt, sondern stellt mit viel Liebe zum Detail die Anfänge des Genres nach. Damals, als der zuckende Rhythmus noch Rocksteady genannt wurde und seine Wurzeln im frühen US-amerikanischen Rhythm & Blues deutlich zu hören waren. Es waren die Zeiten, als auf Jamaika zwar schon eifrig gekifft wurde, die Marihuana-Trägheit sich aber noch nicht völlig auf den Rhythmus gelegt hatte. Das sind die Zeiten, die The Unlimiters wiederaufleben lassen, indem sie sich in Anzüge zwängen, die Bläser zackige Akzente setzen lassen und den Bass gen Magengrube schicken. Darüber führen Nathan Moore und Erika Abalos gelegentlich ein schmissiges Soul-Duett auf, aber vor allem in den Instrumentals entfaltet die achtköpfige Band eine ganz erstaunliche Eleganz. Die will zwar kaum mehr, als den Hörer zum Tanzen zu bringen, verhindert aber andererseits durch ihr geschichtlich unterfüttertes Stilbewusstsein, dass der Ska zur reinen Stimmungsmusik verkommen könnte.

Traditionen sind auch Sister Fa nicht unbekannt. Die Senegalesin geht damit allerdings sehr viel freier um. Zwar werden auf „Sarabah – Tales from the Flipside of Paradise“ immer wieder schwarzafrikanische Harmonien und Sounds traditioneller Instrumente wie Kora und Djembe benutzt. Aber die wirken nicht museal, sondern vor allem wie ein Herkunftsnachweis in einem modernen, radiotauglichen Amalgam aus HipHop und aktuellem R&B. Diesen Stilmix, in dem Westafrika und Brooklyn scheinbar schwerelos zusammenfinden, hat Fatour Mandiang Diatta, wie Sister Fa mit vollem Namen heißt, bereits in ihrer Heimat entwickelt.

„Sarabah“ ist ihr erstes Album seit ihrem Umzug nach Berlin, wo sie seit 2006 mit ihrem österreichischen Ehemann lebt. Musikalisch und auch inhaltlich ist es aber immer noch im Senegal verortet. In Französisch, Wolof, Jola und Manding rappt und singt Sister Fa von Kindersoldaten und Aids-Opfern, vom harten Leben in afrikanischen Dörfern und von Menschen, die flüchten, um ein besseres zu finden.

Es wird spannend zu hören, wie Sister Fa klingen wird, wenn sie endgültig in Berlin angekommen ist. THOMAS WINKLER

■ The Unlimiters: „The Unlimiters“ (Highscore/ OUR), live heute im Schokoladen

■ Sister Fa: „Sarabah“ (Piranha/ Indigo)