Nachrichtenpool Lateinamerika

Das Medienprojekt aus Kreuzberg gibt den sozialen Bewegungen Lateinamerikas eine Stimme

■ Wer Interesse hat, beim Nachrichtenpool Lateinamerika Radio zu machen oder für den Pressedienst zu übersetzen, meldet sich am besten per E-Mail beim Verein. Im Herbst wird es einen Einführungsworkshop in die Grundlagen der Radioarbeit geben, für den ihr euch jetzt schon vormerken könnt.

Kontakt: info@npla.de

Im Netz: www.npla.de

Lydia Cacho lässt sich nicht so leicht einschüchtern. Obwohl die mexikanische Journalistin im Juni dieses Jahres erneut eine Morddrohung erhielt, kämpft sie weiter für Kinder- und Frauenrechte. Mit den Büchern „Los demonios del Edén“ (2005) und „Esclavas del poder“ (2010) hatte sie gegen Kinderpornografie und Frauenhandel angeschrieben. Seither ist sie bei einigen einflussreichen PolitikerInnen und Geschäftsleuten äußerst unbeliebt: Immer wieder wird sie schikaniert und landete sogar einmal im Gefängnis.

Nachzulesen sind solche Ereignisse bei „poonal“, dem deutschsprachigen Pressedienst alternativer Medienagenturen aus Lateinamerika. Anfang Juli meldete poonal, dass eine internationale Menschenrechtsorganisation die mexikanische Regierung angesichts der erneuten Drohungen aufgefordert hatte, die Journalistin besser zu schützen. „Wir bleiben an solchen Themen dran, weil sie in Lateinamerika für soziale Bewegungen und AktivistInnen wichtig sind. Wir wollen deren Entwicklungen hier nachzeichnen und „Stimmen aus Lateinamerika“ auf Deutsch hörbar und lesbar machen.“, erklärt Bettina Hoyer, Redakteurin bei poonal.

Doch der Pressedienst ist nur ein Projektteil des Nachrichtenpools Lateinamerika (NPLA). Neben poonal sind auch die Radioprojekte „onda“ und „matraca desde berlín“ dort angesiedelt. Ein kostenpflichtiger Artikelservice mit Namen „npl“ „dümpelt vor sich hin und wartet auf Wiederbelebung“, erklärt Hoyer zum vierten Projektteil. Ansonsten ist das Medienkollektiv, das lange Jahre im linken Hausprojekt in der Yorckstraße 59 ansässig war, jedoch recht umtriebig. Etwa 30 Leute tragen regelmäßig dazu bei, dass der NPLA lebendig bleibt.

Mit Medien- und Bildungsarbeit engagiert sich der 1991 gegründete Verein für eine emanzipierte und kritisch-solidarische Berichterstattung zu Lateinamerika jenseits des Mainstreams. So kommt beim NPLA eine blinde Studentin zu Wort, die darüber berichtet, wie es um die gesellschaftliche Teilhabe von Behinderten in Guatemala bestellt ist. Vom „Festival Internacional de las Artes“ in Costa Rica wird erzählt, vom Umgang mit dem Erbe der Militärdiktaturen oder von Transsexuellen in Uruguay.

Radio onda macht Radio in deutscher Sprache. „In Ermangelung eines wirklich freien Radios für Berlin stellen wir die Radiobeiträge ins Internet. Sie werden dann von vielen freien Radios in Deutschland übernommen“, so Hoyer. Alle 14 Tage produziert onda die halbstündige Magazinsendung „onda-info“. In der letzten Ausgabe ging es um den chilenischen Bildungsstreik.

Bei Radio matraca desde berlín sind wiederum lateinamerikanische MigrantInnen mit dem Mikro unterwegs. Ihre spanischsprachigen Beiträge nehmen beispielsweise das Demonstrationsrecht in Deutschland unter die Lupe oder befassen sich mit dem Bestseller von Thilo Sarrazin. „Hinter matraca steht die umgekehrte Idee von onda: Während onda spiegelt, was in Lateinamerika passiert, berichtet matraca, was hier in Deutschland und Europa geschieht“, erklärt Niklaas Hofmann.

Für seine Berichterstattung greift der NPLA auf derzeit 20 alternative Presseagenturen sowie auf Kontakte zu KorrespondentInnen und Basisradios zurück. Daraus entstehen auch Projekte wie das Radioforum zum Klimawandel im Jahr 2009. „Bei Radio Tierra in Santiago de Chile und beim NPLA in Berlin waren gleichzeitig Leute im Studio und haben miteinander diskutiert. Das wurde live im Internet gesendet. Anfangs war das chaotisch, aber als sich alles eingespielt hatte, ergab sich eine sehr interessante Diskussion“, berichtet Hofmann, der bei Radio onda aktiv ist.

Er ist, wie viele andere auch, ohne journalistische Vorkenntnisse zum NPLA gekommen. „Jeder kann Journalismus! Mit Unterstützung und ein bisschen Übung ist das überhaupt nicht schwer“, sagt Hofmann. Heute gibt er sein Wissen beim NPLA in Kursen über die Grundlagen der Radioarbeit weiter. Spanisch- oder Portugiesischkenntnisse wären wichtig, ebenso Neugierde und Engagement, aber dann könne es losgehen bei dem alternativen Nachrichtenportal, erzählt er.

„Wir verstehen uns als journalistisches Basismedium“, so Hoffmann. „Das ergibt eine Spannung zwischen Professionalität und dem Anspruch, dass jeder mitmachen kann. Praktisch führt das zu interessanten Diskussionen über Inhalte, Freiräume und Notwendigkeiten und zu einem eigenen Stil“.

Die Angebote des NPLA können kostenlos auf der Internetseite des Vereins abgerufen werden. Freie Radios, Partnerportale, Zeitschriften und Blogger spiegeln außerdem die Beiträge. Die Radiobeiträge können als podcast, poonal kann als E-Mail-Newsletter abonniert werden. Workshops für entwicklungspolitische Medienarbeit gehören ebenfalls zum Angebot des Vereins. LUKAS DUBRO