KUNSTRUNDGANG
: Stefan Osterhaus schaut sich in den Galerien von Berlin um

Kunst und öffentlicher Raum – das ist ein Fass ohne Boden, eine Diskussion ohne Ende, eine unendliche Geschichte. Zwar ist irgendwann Kunst am Bau erfolgreich überwunden worden, zwar hat Graffiti irgendwann mal den Sprung in den Kanon geschafft, doch die Straße, der Versammlungsplatz, er bietet immer wieder Überraschungen. So wie kürzlich zur Eröffnung von Michael Kalkis Vernissage im nördlichen Kreuzberg, als sich ein paar Informierte an einem nicht sonderlich schönen öffentlichen Platz trafen und Bier tranken. Es war eine Vernissage der Clockwork Gallery, die Alexander Voice betreibt, ein Mann mit Wurzeln im Ruhrpott, der sich aber auch in Griechenland und London schon zu Hause gefühlt hat. Voice hat die Gallery am Halleschen Tor angesiedelt, an einer öffentlichen Uhr, die sich um die eigenen Achse dreht, und mit ihr drehen sich auch die Arbeiten. Gregor Hildebrandt, Matthew Hale, Alicja Kwade und Katie Guggenheim haben mitgemacht, und dort, unter der Uhr, hängen nun zwei Arbeiten von Kalki, zwei Kollagen, die den sinnigen Titel „Sun and Moon“ tragen, was passt, da die Clockwork Gallery an keine Öffnungszeiten gebunden ist und der Kunstfreund zur Not auch sein Nachtlager davor aufschlagen kann. Ein griechisches Panorama, das Meer, die Sonne, der Schnaps. Eine trügerische Idylle. „Peoples of Europe – rise up“, fordert Kalki sehr sprachmächtig. Wo stehen wir, was kommt jetzt? Tickt die Uhr rückwärts? Steht der Untergang des Abendlandes oder wenigstens der Eurozone bevor?

Derart pessimistisch will es Thoma Scheibitz nicht sehen, der sich bei mk/Ultra im Namen Anleihen vom Fußball holte – und der einmal mehr sein unfassbar gutes Gespür für Räume beweist: Ein Metallpfeiler teilt den Raum; „Capital 2011“ nennt Scheibitz das Werk. Und ist plötzlich ganz nah bei Kalkis Griechen. So schnell kann’s gehen.

■ Michael Kalki, Clockwork Gallery, Sun and Moon, Hallesches Tor

■ Thomas Scheibitz, mk/ULTRA, Sprüth Magers, Oranienburger Straße 18, bis 29. Oktober, Di-–Sa., 11– 18 Uhr