HipHop-Neuigkeiten: Sookee mit ganz erstaunlichem Flow, Marsimoto freut sich, dass wieder gekifft wird

Mädchen sind besser in der Schule als Jungs. Jemand hat die Abiturnoten zusammengezählt und dann den Durchschnitt ausgerechnet. Ich will jetzt die Damen und Herren Geschlechter- und Bildungsforscher nicht frustrieren: Aber das wär auch sehr viel einfacher rauszukriegen gewesen. Nämlich durch: HipHop-Hören.

Man nehme nur die beiden Probanten Sookee und Marsimoto. Beide sind in Mecklenburg-Vorpommern aufgewachsen, beide leben mittlerweile in Berlin und beide bringen nun ihr drittes Album heraus. Das war es dann aber mit den Gemeinsamkeiten: Die eine hat Gender Studies und Linguistik studiert, der andere eine Ausbildung zum Fußballprofi in der A-Jugend nach Verletzung abgebrochen. Der Titel von Sookees Album „Bitches, Butches, Dikes & Diva“ deutet schon an, dass sich die Berliner Rapperin differenziert mit sexuellen Identitäten und gesellschaftlichen Rollenbildern beschäftigt. Der Titel von Marsimotos Album „Grüner Samt“ dagegen ist eine eher schlecht getarnte Metapher für den dauerbekifften Zustand, in dem sich der Protagonist meist befindet.

Aber wie das so ist im wahren Leben: Die Schule ist aus und die Jungs ziehen wieder an den Mädchen vorbei. Während Sookee eine einigermaßen respektierte Underground-Rapperin ist, darf man davon ausgehen, dass „Grüner Samt“ in die Charts einsteigen wird. Denn hinter Marsimoto versteckt sich niemand anderes als der wegen seines Albums „Zum Glück in die Zukunft“ 2010 als Zukunft des deutschen Rap gefeierten Marteria.

Der wiederum heißt eigentlich Marten Laciny. Für die Verwendung zweier Rap-Persona gibt es durchaus große Vorbilder. Marsimoto ist für Marteria, was Slim Shady für Eminem war: Ein Alter Ego, in das sich die seelischen Abgründe des Rappers prima verbannen und dann verarbeiten lassen. Gut, Slim Shady wollte seine Mutter und seine Ex-Frau abmurksen, Marsimoto will dagegen nur einen durchziehen. So klingt „Grüner Samt“ denn auch. Gleich zum Anfang stolpern die Beats wie ein Gymnasiast nach einem Gramm Grüner Afghane und die wie mit Lachgas gedopte Stimme von Marsimoto verkündet: „Es wird wieder gekifft.“ Außerdem schlüpft Marsimoto in die Haut eines Wals und träumt sich in den Dschungel: „Ich Tarzan, du Jane“. Gut, der Mann kennt nur ein Thema, das aber beackert er ausdauernd und überaus einfallsreich.

Gleiches lässt sich sagen über Sookee. Programmatisch rappt sie im Titelsong: „Wir nehmen zurück, was euch niemals zustand“, und dann droht sie den Männern, sie „unter den Tisch zu diskutieren“. Mehr Angst dürfte der durchschnittliche Baggyhosenträger allerdings bekommen, wenn er die lesbischen Fantasien hört, die Nora Hantzsch, wie Sookee bürgerlich heißt, in „Siebenmeilenhighheels“ genüsslich ausbreitet. Ihre größere Leistung aber ist es, noch die trockenste Podiumsdiskussion in einen ganz erstaunlichen Flow voller Binnenreime zu verarbeiten: „Es ist doch daneben, Identitäten zu zerlegen, es sei denn, man wandelt auf strategischen Wegen.“ Versuch das mal bekifft nachzusprechen. THOMAS WINKLER

■ Marsimoto: „Grüner Samt“ (Four Music/Sony Music), Release-Show 12. 1. Lido ausverkauft, 9. 3. Astra

■ Sookee: „Bitches, Butches, Dikes & Diva“ (Springstoff)