Marcus Woeller schaut sich in den Galerien von Berlin um

Wenn Annette Kelm Menschen fotografiert, wirken sie fast wie Objekte. Sie lässt sie eigenartig posieren, verleiht ihnen beinahe die Anmutung von Stillleben. Bekannt wurde sie mit dem Bildnis eines Reiters in Cowboymontur, statt einer Gerte hält er einen Fächer, und sein Pferd hat er in einem Palmengarten geparkt. Tocotronic-Sänger Dirk von Lowtzow setzte Kelm für die Präsentation zum Preis der Nationalgalerie, für den sie 2009 nominiert war, auf eine Leiter vor einen Vorhang. In kurzen Hosen hockte er dort wie ein Schiedsrichter beim Tennis, wirkte aber eher wie ein Ausstellungsstück. Wenn Kelm Dinge fotografiert, wirken sie aber nie nur wie Objekte. Musikinstrumente, Gemüse oder bunte Stoffe integriert sie in ein strenges Konzept, das sich vielmehr mit der Bildfindung und Komposition zu beschäftigen scheint als mit dem ausgesuchten Material. Wenn Kelm nun für eine neue Serie Eisenfeilspäne auf farbigem Papier fotografiert, dann spielt das Objekt kaum mehr eine Rolle. Von den physikalischen Kräften verborgener Hufeisenmagnete über das Papier bewegt, hinterlässt der Metallstaub grafische Spuren, bäumt sich zu kleinen, skulpturalen Gebirgen auf, ordnet sich mal zu ästhetischen Feldlinien, mal nur zu grauen Schmutzflecken. Zu sehen ist die konzentrierte Ausstellung bei Johann König.

 In einem einzigen Foto einer Hausfassade konzentriert sich Viola Kleins Erinnerung an Detroit. Als sozialer Treffpunkt einte dort der Club Agave die vielen verschiedenen Strömungen der House Music, bevor er dichtgemacht wurde, wie so vieles in der Stadt, die wie kaum eine den Niedergang des Kapitalismus erlebt hat. Doch im Keller der Galerie Mathew sprießt vielleicht Hoffnung. Auf einem kleinen Schwarzweißmonitor wackelt ein „Stink Tree“ im Wind: Der Pionierbaum erobert noch trostlosere Standorte.

■ Annette Kelm, bis 21. April, Di.–Sa., 11–18 Uhr, Johann König Gallery, Dessauer Straße 6–7 ■ Viola Klein, bis 22. April, Do.–Sa., 13–18 Uhr, Galerie Mathew, Schaperstraße 12