Stereotype frisch aufgebügelt und gegen den Strich gebürstet: Priscilla Sucks rocken, Princessin Hans rollt

Das ist doch mal raffiniert. Priscilla Sucks hebeln einen Gutteil der möglichen Kritik an ihnen bereits mit dem Titel ihres Debütalbums aus: „Stereotype Me“ heißt das, und diese Aufforderung darf durchaus als ironische Distanzierung von den Klischees verstanden wissen, mit denen das Berliner Quartett kräftig spielt.

Denn Gitarristin Katja Grosse-Kracht klaut nicht nur jedes verfügbare Punk- und Hardrock-Riff aus den späten siebziger und frühen achtziger Jahren, das nicht schnell genug „Soundgarden stinkt“ sagen konnte. Nicht nur kloppen Schlagzeuger Tarek Ben Ismail und Bassist Sascha Grosse-Kracht so sensibel auf ihre Instrumente ein wie Holzfäller. Nein, nicht nur diese Klischees werden wiederbelebt: Außerdem feiert mit Sängerin Eva Zurek dazu die eigentlich ausgestorben gewähnte Rockröhre eine fröhliche Wiederkehr. Deren vornehmste Aufgabe ist es, Texte in prima Schulenglisch zu kreischen, zu schreien und zu spucken, in denen Autos sinnlos zu Schrott gefahren („Demolition Derby Crew“), harte Drogen konsumiert („Addicted“) und Männer zum Sexobjekt degradiert werden („Daddy Long Legs“). Tatsächlich: Das sind doch mal knorke Stereotype, die da präsentiert werden. Aber als Frauen-Bands wie L7 in den Achtzigern ein ähnliches Konzept verfolgten und nicht nur Grunge und Stoner-Rock spielten, sondern sich auch noch die Erzählung von Sex & Drugs & Rock ’n’ Roll aneigneten, war diese Idee noch innovativ. Heute ist sie schon längst wieder zu einem Stereotyp geronnen. Falls Pricilla Sucks diese Volte mit dem Albumtitel vorwegnehmen wollten: Herzlichen Glückwunsch!

Auch Princessin Hans spielt mit Klischees, allerdings bestätigt er sie nicht, sondern bürstet sie so lange konsequent gegen den Strich, bis sie kaum mehr wiederzuerkennen sind. Die Kunstfigur, hinter der sich der gebürtige Neuseeländer Hans Kellett versteckt, adaptiert auf seinem ersten, im Selbstverlag erschienenen Album „Because You Wouldn’t Play Tennis With Freddy“ die Melodien aus dem Cabaret und die Hysterie des Balkan-Pop, um sie mit der schwülen Stimmung des Chansons und der rotzigen Attitüde des Punk zu verschränken.

Diese verwegene Kombination ist vor allem für die Bühne entstanden. Die mit rüschigen Kleidern und bunter Schminke ausgestattete, mit rotem Bart und kräftigem Brusthaar aber immer noch sehr männliche Princessin hat Kellett im Rahmen der O-Ton-Ute-Abende im Schokoladen entwickelt, die ja nie bloß wie andere Berliner Lesebühnen funktionierte, sondern stets die Grenzen zu anderen Kunstformen überschritt, vor allem die zur Musik. Damals nannte sich Kellett noch Hans Haustier, mittlerweile ist er vollkommen zur Princessin Hans mutiert und macht die Kleinkunstbühnen der Gegend unsicher. Aber auch als Konserve überzeugt die Idee, weil Kellett und sein musikalischer Partner Jörg Hochapfel nicht nur wissen, wie man Klischees konterkariert, sondern auch prima Melodien schreiben können und ein Händchen für ausgefallene Arrangements besitzen. THOMAS WINKLER

■ Priscilla Sucks: „Stereotype Me“ (BSC), 17. 6., beim Friedensfestival Alexanderplatz, 21. 6., Wild At Heart (Fête de la Musique)

■ Princessin Hans: „Because You Wouldn’t Play Tennis With Freddy“ (www.princessinhans.de)