Wird alles trauriger

Vor ziemlich genau einem Monat, am 7. Juni, feierte Roberto Blanco seinen 75. Geburtstag, was in der taz weiters keine Beachtung fand und auch hier eigentlich nur deswegen erwähnt sein soll, weil der Schlagersänger doch, nun ja, zu einer Minderheit zu zählen ist.

Das sagt zumindest die Wissenschaft.

Gerade nämlich wurde von Mitarbeitern des Forschungsbereichs „Languages of Emotion“ der Freien Universität Berlin eine Studie vorgelegt, die zu dem Ergebnis kommt, dass die Popmusik immer trauriger und ambivalenter klingt. Während in den sechziger Jahren noch fröhliche Musik die Hitparaden dominierte, wurde die im Lauf der vergangenen 50 Jahre, das untersuchte Zeitsegment, zunehmend von anderen Liedern aus den Charts gedrängt. Wohin man auch hört: mehr Moll, das Tempo herausgenommen, die Texte negativer.

Man darf das jetzt nicht zu sehr verallgemeinern, weil sich die in der Onlineausgabe der Zeitschrift Psychology of Aesthetics, Creativity, and the Arts veröffentlichte Studie erst einmal nur auf die US-amerikanischen Charts stützt. Müsste also noch einmal mit den hiesigen Hitparaden abgeglichen werden, um dabei vermutlich zu einem ähnlichen Ergebnis zu kommen. So einzig steht Deutschland nicht in der Welt. Wobei, um endlich Roberto Blanco wieder mit ins Spiel zu bringen, der bei einer forcierten Entwicklung des Trends bald auf ein minoritäres Alleinstellungsmerkmal pochen darf mit seiner Stimmungsmusik. Und Stimmung muss hier ja immer gleich positiv sein, so mit Schunkeln, Frohsinn und Täterä. Was dann eben ein restringierter Kode ist, während heute, so die Studie, den Hörern emotional komplexere Stücke mehr gefallen mit einer Ambivalenz, die besser zu den Anforderungen der Modernisierung passt.

Da kann man doch gleich mal einen Gang höher schalten und noch offener werden in einem dann fast schon fatalistischen Hören, in dem einem alles zu Musik wird. John Cage. Noch nicht in den Charts, vielleicht aber demnächst. Probehören möglich derzeit bei „Die Musik ist los – 100 Jahre Cage“ in der Staatsoper im Schiller Theater.

Und noch ein Hinweis: auf ein Symposium im Radialsystem, in dem ab Donnerstag drei Tage lang die Entwicklung des Musikhörens auch im Hinblick auf die Emotionen ab dem 18. Jahrhundert untersucht wird: „The Art of Listening“. Eintritt frei.

Und wo bleibt das Positive? „Ein bisschen Spaß muss sein“ ist der Hit von Roberto Blanco. Was sich dann im Zwiespalt der mangelwirtschaftlichen Zuteilung („ein bisschen“) und dem kommandohaften Befehlston („muss“) doch weniger nach feel-good und eigentlich recht deprimierend anhört. THOMAS MAUCH