Mutter des Blues

Zum 17. Mal findet das Jazz in Town-Festival in Köpenick statt, zu dem schon so manch namhafter Jazz- und Blueskünstler zugegen war. In diesem Jahr soll sich laut Veranstalter aber eines geändert haben: Das Festival wird nicht mehr von Männern dominiert. Denn mit den Maassters of Boogie Woogie & Wild Women stehen am Samstag schon mal neun Frauen gemeinsam auf der Bühne. Da fragt man sich, ob die Frauenquote in diesen Gefilden tatsächlich so bescheiden ist. Ein Blick ins Geschichtsbuch zeigt zumindest die Bedeutung weiblicher Musiker in der Entstehung.

Im frühen Blues zum Beispiel, der sich Anfang des 20. Jahrhunderts in den Südstaaten der USA aus den bildhaften Erzählungen der Folklieder und den Melodien der Plantagenlieder entwickelte. Die Vaudeville Shows, eine Art wanderndes Varieté im Zirkuszelt, gaben afroamerikanischen Musikerinnen die Chance, mit ihrem Talent ein wenig Geld zu verdienen. Auch Ma Rainey, die später als „Mutter des Blues“ gelten sollte, begann schon mit 14 Jahren als Sängerin durch den Süden zu ziehen. In Missouri hörte sie zum ersten Mal einen Bluessong, eignete sich diesen Stil an und machte in ihren Shows fortan den Blues überall beliebt und bekannt.

Schon bald begann ein reges Interesse an den sich nun mehrenden Bluesfrauen zu herrschen. Mamie Smith, Bessie Smith und Ma Rainey bekamen als erste schwarze Frauen überhaupt kommerzielle Plattenverträge und wurden zu Stars ihrer Zeit. Weil sie keine klassisch schönen, sondern eher raue Stimmen hatten, und wegen ihrer temperamentvollen Persönlichkeiten brachten diese Frauen den besungenen Schmerz, also den Blues, erst richtig zum Ausdruck. Heimweh, Einsamkeit und Liebeskummer dominierten ihre Lyrik, aber borstig, wie sie waren, in der ganz eigenen, ländlichen Sprache. In „See See Rider“ etwa singt Ma Rainey von ihrem untreuen Geliebten und davon, dass sie sich eine riesige Pistole kaufen werde, um ihn zu erschießen und sich anschließend vor eine Kanone zu werfen.

Doch wirklich genderfrei ging es im frühen Blues auch nicht zu. Während ihre Band ausschließlich aus Männern bestand, war sie nämlich immer Sängerin. Die Rollen waren klar abgesteckt. Mit riesigen Federfächern, glamourösen Kleidern und mächtigen Klunkern ausgestattet, mussten die Damen Schönheits- und Luxusfantasien des Publikums widerspiegeln. Fast 100 Jahre später, bei den Maassters of Boogie Woogie & Wild Women, ist mit solchem Kitsch zum Glück nicht zu mehr rechnen. Spielen dürfen sie aber, endlich. FATMA AYDEMIR

■ Maassters of Boogie Woogie & Wild Women: Rathaushof Köpenick. Sa. 19.30 Uhr. 20–34 Euro