Lagerfeuer im Solo

Befinden wir uns in einem Zeitalter der Wiederholung? Muss großartige Kunst erst zur Erinnerung werden, damit sie im Repetitiven gewürdigt werden kann? Die Legendenbildung um verstorbene Musiker hat eine lange Tradition und oft auch einen schalen Beigeschmack. Denn man fragt sich zu Recht, ob der Künstler bis zu seinem Tod aufgrund mangelnder Aufmerksamkeit schlicht unterschätzt wurde oder ob im Gegenteil nachträglich eine Überbewertung stattfindet, um den posthum steigenden Absatz von Platten zu gewährleisten.

Als Thomas Hansen alias Saint Thomas am 10. September 2007 tot in seiner Wohnung aufgefunden wird, liegt er bereits seit fünf Tagen dort. Ein Cocktail aus Psychopharmaka nahm dem norwegischen Singer-Songwriter im Alter von 31 Jahren das Leben. Ob dies aus Absicht geschah, ist immer noch umstritten. Denn Hansen litt an Depressionen. Erst 2004, mit dem Erscheinen von „Let’s Grow Together – The Comeback Of St. Thomas“ – einem seiner besten Alben – beginnt er öffentlich von seinen psychischen Problemen zu sprechen. Zu Lebzeiten war der Musiker zwar in seiner Heimat Norwegen ein Star, im Rest der Welt hingegen nur einer kleinen Szene vertraut. Diese Runde trifft sich morgen in der Kantine im Berghain für ein Tribute-Konzert, das befreundete Musiker des Sängers, der auch zeitweise in Berlin lebte, geben.

„Seine Melodien waren so mächtig. Seine Texte könnten völliger Bullshit sein und man würde trotzdem weinen, wenn man seine Songs hört,“ so ein Freund von Hansen im Dokumentarfilm „Burn the place you hide: The story of St. Thomas“, der morgen vor dem Konzert gezeigt wird. Thomas Hansen gehörte zu den Protagonisten der „New-Acoustic“-Bewegung der Nuller-Jahre. Sein bestechender Zynismus und die Sachlichkeit seiner Songs grenzte ihn vom Rest ab. Wie wild schrieb Hansen immer neue Lagerfeuerlieder, in sieben Jahren veröffentlichte er sieben Alben.

Doch die Geselligkeit, die zum Lagerfeuer gehört, missfiel ihm. Der Sänger hatte häufig Angst vor die Tür zu gehen und erkannt zu werden. Gleichzeitig fühlte sich Hansen aber auch als Ewig-Unterschätzter. Dass das morgige Tribute-Konzert allein sein Talent ehren soll, ist in diesem Rahmen äußerst bedeutsam. Der Erlös daraus geht nämlich an den Saint Thomas Memorial Trust Fund, der sich für den Kampf gegen psychische Krankheiten bei Jugendlichen und deren Stigmatisierung in der Gesellschaft engagiert. FAY

■ „A Tribute to Thomas Hansen“ mit Ai Phoenix, Brødrene Löwenstierne, Leiv Reed u. v. m.: Kantine am Berghain, Rüdersdorfer Str. 70. Samstag, 19 Uhr. Eintritt: 16/13 €