Frauen auf Spitzenposten: Cromme und die Chefinnen

Ortstermin: Beim "Frauen-Dinner Corporate Governance" wurden den Herren die letzten Argumente gegen Frauen in der Vorstandsetage genommen. Der einzige anwesende Mann musste sich schämen.

Nach Ihnen, meine Damen: Gerhard Cromme allein unter Chefinnen Bild: dpa

Seit Donnerstagabend weiß Gerhard Cromme, wie sich Frauen fühlen - zumindest die Frauen, die Spitzenpositionen der Wirtschaft besetzen: ziemlich allein. Als einziger männlicher Gast unter rund 200 erfolgreichen Geschäftsfrauen nahm der Aufsichtsratsvorsitzende von ThyssenKrupp und Siemens am "Frauen-Dinner Corporate Governance" teil. Darauf angesprochen, lief der sonst so eloquente Spitzenmanager puterrot an.

"Mehr Frauen in Führungspositionen" lautet das Motto des Abends, zu dem der Deutsche Juristinnenbund eingeladen hat. Denn so wie Gerhard Cromme fühlt sich sonst Bettina von Österreich. Die Managerin der Hypo Real Estate Bank ist die einzige Frau in einem Vorstand der 30 größten deutschen Aktiengesellschaften. Die einzige unter 193 Männern.

Geht es darum, Gründe für diesen Zustand zu finden, beweisen Männer eine Fähigkeit, die eigentlich Frauen zugeschrieben wird: Kreativität. Seit Donnerstagabend müssen sie noch einfallsreicher sein, wenn sie gute Ausreden finden wollen. "Das Argument: 'Wir haben keine guten Frauen' ist ab heute gestorben", sagt Jutta Wagner, Vorsitzende des Juristinnenbundes. Die Waffe, mit der sie dem Lieblingsargument der männlichen Vorstände den Garaus gemacht hat, hält sie stolz in der Hand: Es ist eine Liste mit 400 Namen. Namen von Frauen, die in Führungspositionen deutsche Unternehmen erfolgreich leiten. Sie sind gut ausgebildet und wollen endlich rein in die Aufsichtsräte und Vorstände.

Viele von ihnen sitzen in dem festlich geschmückten Saal. Bunte Handtaschen baumeln an den weißen Hussen der Stühle. Es ist laut und fröhlich.

Ihre Fröhlichkeit lässt sich auch Rosely Schweizer nicht nehmen. "Ich verstehe die Vorbehalte gegen Frauen nicht." Sie lacht, als sie das sagt und kräuselt die Nase. Aber die kleine geschwollene Ader an ihrer Stirn verrät, wie zornig sie ist. "Gemischte Teams aus Männer und Frauen sind kreativer, schneller, fantasievoller und erfolgreicher. Das beweisen viele Studien. Warum müssen wir Frauen dann immer noch pushen?" Schweizer ist Gesellschafterin der Sektkellereien Henkell & Söhnlein und im Beirat der Dr. Oetker AG, eine der wirtschaftlich einflussreichsten Frauen Deutschlands. Schweizer ist 67 Jahre alt, aber beim Thema Gleichberechtigung gerät die große, starke Frau im knallroten Sakko immer noch in Wallung: "Dass Frauen sich nur um die weichen Themen kümmern können, das ist doch ein Mythos! Was sind denn weiche Themen? Kann mir das mal jemand sagen?" Angeblich weiche Themen wie Familie und Umweltschutz seien die harten Themen der Zukunft. "Wenn wir uns um die nicht kümmern, können wir den Rest vergessen." Schweizers Gesicht nimmt die Farbe ihres Sakkos an, ihre vorbereitete Rede hat sie längst beiseite gelegt.

Sucht die Unternehmerin nach Frauen, die eine ähnlich einflussreiche Position haben wie sie selbst, muss Schweizer nach Norwegen blicken: Dort wurde weltweit die erste gesetzliche Quote für die Besetzung von Spitzenpositionen in Aktiengesellschaften eingeführt. Die Regeln sind streng. Wenn die Unternehmen die Quoten nicht erfüllen, sind sie dem norwegischen König eine gute Erklärung schuldig. Sonst wird die Gesellschaft aufgelöst. Mittlerweile ist jeder vierte Posten mit einer Frau besetzt.

Auch wenn es kein Land gibt, das den Frauenanteil ohne Quote nennenswert erhöhen konnte, will Jutta Wagner, Präsidentin des Juristinnenbundes, vorerst keine gesetzliche Vorschrift. Es müsse aber endlich etwas passieren. "Frauen üben sich in Geduld. Darin sind sie Meisterinnen. Jetzt können sie sich in produktiver, konstruktiver Ungeduld üben." Die Frauen im Saal klatschen Beifall. Wenn nicht alles so piekfein wäre, könnte glatt eine Revoluzzerstimmung aufkommen.

Wagner setzt statt auf die Quote auf den demografischen Wandel. "Wir können es uns nicht mehr leisten, 50 Prozent des qualifizierten Personals zu ignorieren", sagt sie und guckt hinüber zu Brigitte Zypries. Die Justizministerin sieht das Problem bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie: "Die Geburt des ersten Kindes ist immer noch der Knackpunkt." Teilzeitarbeit, Erziehungsurlaub und Elterngeld seien die Stellschrauben. Eine Quotenregelung sollte es nicht geben. Gerhard Cromme sei daher der richtige Ansprechpartner.

Cromme ist nämlich nicht nur Manager, sondern auch Vorsitzender der Corporate-Governance-Kommission der Bundesregierung, die Verhaltensempfehlungen für Unternehmen ausspricht. Der Kodex, den die Kommission herausgibt, wurde schon mehrfach aktualisiert - mehr Frauen in Spitzenpositionen empfiehlt das Gremium aber immer noch nicht.

Vielleicht ist Cromme deshalb immer noch ganz rot, als er die Liste mit den 400 Frauennamen entgegennimmt. Das Rednerpult wird für ihn nach oben gefahren. Aber der große grauhaarige Mann sagt lieber nichts. Der Pianospieler kommt zur Hilfe, durchbricht die peinliche Stille. Cromme weiß, wann man lieber die Klappe halten sollte. Weder im Siemens noch im ThyssenKrupp-Vorstand noch in der Corporate-Governance-Kommission sitzt eine einzige Frau. Im 20-köpfigen Aufsichtsrat von Siemens gibt es immerhin drei Damen. Cromme weiß jetzt, wie die sich fühlen.

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