DER KOMMENTAR
: Wir sind Günther Graf

Beliebtheitsbarometer sagen nicht nur etwas darüber aus, wer gerade in der Gunst des Volkes steht – sondern auch etwas über das Volk selbst

Wen hasst der Durchschnittsdeutsche? Grummelig schauende Menschen wie Hartmut Mehdorn. Schwer verständliche Bayern wie Edmund Stoiber. Brutale Schläger aus der Münchner U-Bahn, auch wenn das noch nicht durch Umfragen belegt ist. Denn abgesehen davon, dass sie Gewalttäter sind, haben sie auch sonst nicht viele Sympathiewerte. Extremes Manko: Sie sind nicht deutsch. Sehr unschön: Sie schlagen Rentner zusammen. Und zu alledem haben sie in der Nichtraucherzone geraucht.

Wen Deutschland dagegen innig liebt, offenbarte jetzt eine aktuelle Umfrage im Auftrag der Zeitschrift Frau im Spiegel: Der erste Grand-Slam-Gewinn ist über 20 Jahre her, Spätgeborene kennen sie nicht mehr vom Tennisplatz, sondern aus Werbespots für Nudelsaucen. Trotzdem hängt Stefanie Maria Graf in einer aktuellen Umfrage locker Iris Berben und Claudia Schiffer auf der Beliebtheitsskala ab. Denn Steffie Graf hat in den Augen der Nation alles richtig gemacht: Ehrgeizig und fleißig war sie, hat ihre Jugend auf dem Tennisplatz statt in der Dorfdisco verbracht. Ein ordentliches Mädel. Immer artig auf den Papa gehört und immer loyal geblieben, auch als Papa im Knast saß.

Zwar: Als das einstige Wunderkind erwachsen wurde, wurde es auch ein wenig renitent. Kehrte ihrer Heimat den Rücken. Zog mit ihrem amerikanischen Ehemann in die USA. Nannte ihre Kinder Jaden Gil und Jaz Elle. Aber: Ein Volk verzeiht, denn Stefanie Graf ist eben einfach die Steffie der Nation.

Die männliche Steffie der Nation ist Günther Jauch. Laut einer Umfrage der Zeitschrift view ist er sympathischster Promi des Jahres 2007. Die Liebe der Deutschen zu Günther Jauch ist nur auf den ersten Blick eine nüchterne Tatsache, auf den zweiten hat sie etwas Wahnsinniges. Dabei begann es ganz unschuldig: 2005 ergab eine Umfrage, dass 43 Prozent der Deutschen am liebsten mit Günther Jauch zusammen Würstchen grillen würden. Zwei Jahre später wünschen sich 99 Prozent der Bevölkerung Günther Jauch bereits als Bundeskanzler, besser noch als UN-Generalsekretär. Aus der harmlosen Romanze ist eine wilde amour fou geworden, mit eindeutig devotem Charakter seitens der Bevölkerung. Warum? Weil Günther scheinbar alles kann, und alles gleich gut. Ob er vor der Skischanze steht und moderiert oder im stern-tv-Studio, er bleibt derselbe Mensch, ist sachlich, freundlich, angenehm. Schillernde Figuren mit facettenreicher Persönlichkeit irritieren. Günther Jauch beruhigt. Und: Er raucht nicht. LANA STILLE