Kolumne Fernsehen: "Die Bank ist nicht Ihr Freund"

Etliche schlechte US-Fernsehformate werden in Deutschland kopiert. Warum nicht auch die Guten?

Jeden - na ja, nicht gleich im ersten Satz vulgär werden, also: Alle möglichen Sendungen des US-Fernsehens werden von deutschen Sendern übernommen oder kopiert. Keine noch so dämliche Idee, keine noch so absurde Handlung, die nicht aufgegriffen würde. Moderatoren und Reporter geben sich so amerikanisch wie möglich, indem sie sich mit Vornamen und "Sie" ansprechen - eine besonders alberne, weil so erbärmlich aufgesetzt wirkende Unsitte. Man mag gar keine weiteren Beispiele nennen, sonst bekommt man sofort schlechte Laune. Aber wenn all das unvermeidlich zu sein scheint: Warum kopiert nicht einer der großen Sender endlich die eine US-Show, die es wirklich wert wäre? Das wäre nicht nur ein sicherer Quotenhit. Das wäre eine soziale Großtat. Ich rede von der Suze Orman Show.

Suze Orman ist eine Finanzberaterin, die auf dem Wirtschaftskanal CNBC allwöchentlich Fragen von Zuschauern zum Thema Geld beantwortet. Kann ich mir den Kredit für dieses Haus leisten? Muss ich nach meiner Scheidung meine ehemalige Frau als Begünstigte aus meiner Lebensversicherung streichen lassen oder passiert das automatisch? Wie soll ich 20.000 Dollar anlegen, die ich geerbt habe? Die Sendung hat einen hohen Unterhaltungswert, weil finanzielle Fragen ja immer viel über die Lebensverhältnisse verraten, und deshalb die Voyeure unter uns einen Blick durchs Schlüsselloch werfen dürfen. Vor allem aber ist sie Lebenshilfe im besten Sinne des Wortes.

Noch hätten sie und ihr Mann keine Probleme mit der Rückzahlung des Immobilienkredits, erzählt eine Frau. Sie könne aber vorhersehen, dass das bald passieren werde. Ihre Bank sei seltsamerweise dennoch nicht an einer Lösung interessiert. Suze Orman rollt die Augen. "Ich kann es nicht oft genug wiederholen: Die Bank ist nicht Ihr Freund." Die Bank habe keinerlei Interesse an ihrem menschlichen Schicksal und nicht unbedingt ein Interesse daran, dass der Kredit pünktlich bezahlt werde. Unter Umständen könne sie deutlich mehr verdienen, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen sei und dann umgeschuldet werden müsse.

Im Detail mag das in Deutschland anders sein. Als grundsätzliche Aussage aber sind das klare, wahre Worte. Die man gerade im Mutterland des Kapitalismus nicht erwartet, im Fernsehen zu hören. Vielleicht liegt das ja daran, dass man sie im deutschen Fernsehen nie hört - es sei denn, ein linker Paradiesvogel wird als abschreckendes Beispiel für besonders abstruse, ideologisch verbohrte Ansichten in eine Talkshow gebeten. Man stelle sich vor, ein führender SPD-Politiker, dessen Partei übrigens theoretisch immer noch für den demokratischen Sozialismus eintritt, würden sich trauen, eine solche Selbstverständlichkeit auszusprechen? Heißa, gäbe das eine Balgerei!

Die 56-jährige Suze Orman ist keine Rebellin. Die äußerst erfolgreiche Tochter einer russischen Immigrantenfamilie, die in kleinen Verhältnissen aufgewachsen ist, erweckt nicht den Eindruck, das System abzulehnen. Aber sie redet es auch nicht schön. Sie benennt Interessen. Sie bringt es fertig, in wenigen, allgemein verständlichen Sätzen die Folgen dieser Interessen für Leute darzustellen, die nicht viel Geld haben und keine Finanzexperten sind. Sie setzt bei zunächst komplex erscheinenden Fragestellungen ihren gesunden Menschenverstand ein - und sie zwingt ihr Publikum, dasselbe zu tun. Sie ist also eine begnadete Moderatorin.

Vielleicht wäre es doch keine so gute Idee, wenn ein deutscher Fernsehsender versuchen würde, die Suze Orman Show zu kopieren. Irgendwie wird man den Verdacht nicht los, dass die Sendung sich unter den Augen der dafür zuständigen Redaktion in einen Volkshochschulkurs verwandeln würde. Nicht mehr unterhaltend, sondern belehrend. So, wie Ratgeberprogramme im deutschen Fernsehen halt zu sein pflegen. Leider. Aber vielleicht liegt es ja auch daran, dass die Zahl jener hierzulande immer kleiner zu werden scheint, die ein Interesse daran haben, dass Interessen benannt werden.

Fragen zu Suze Orman? kolumne@taz.de Morgen: Dieter Baumann über das Laufen

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