Neues Unterhaltsrecht beschlossen: Risikofaktor Kind

Das neue Unterhaltsrecht will getrennte Mütter ganz fortschrittlich in Jobs drängen. Doch Karriereeinbußen, Gehälterkluft und rare Kitaplätze machen Kinder zum Risikofaktor für Frauen.

Bekommt eine kluge Frau jetzt nur noch Babys mit Vertrag? Bild: ap

Eine kluge Frau wird ab sofort keine Kinder mehr kriegen. Nicht mal eins. Und schon gar nicht aus Liebe. Denn das neue Unterhaltsrecht achtet nicht auf Vereinbarungen, Kompromisse und Familienplanungen, sobald eine Liebesbeziehung auseinanderbricht.

Seit 1. Januar 2008 gilt prinzipiell, dass der Partner, bei dem die Kinder bleiben, nach dem dritten Lebensjahr des Kindes keinen Anspruch mehr auf Betreuungsunterhalt hat. Nach Ablauf dieser Frist kann ein Gericht entscheiden, ob der Expartner weiterhin zahlen muss. Es wird untersucht, welche Arbeit zumutbar ist, ab wann, und ob in Teil- oder Vollzeit. "Billigkeit" wird das genannt, und Zumutbarkeit ist gemeint.

Was zugemutet werden kann, damit müssen sich in Zukunft vor allem Frauen auseinandersetzen. Denn es sind fast ausschließlich Mütter, die sich um die gemeinsamen Kinder nach der Trennung kümmern. Während künftig Familien mit und ohne Trauschein endlich gleichgestellt sind, ist die durch die Neuregelung entstehende Unsicherheit zugleich enorm: Seit Januar haben Gerichte in verschiedenen Städten Müttern etwa Unterhalt bis zum 15. Lebensjahr des Kindes zugesprochen, in anderen Fällen aber nur kaum über die Mindestfrist hinaus. In diesen Prozessen muss sich jede Frau, die eine Trennung hinter sich hat, öffentlich für ihr Familienmodell rechtfertigen, das sie einmal mit dem Ehemann oder Lebenspartner beschlossen hat. Entscheidungen wie: "Ich habe für meine Familie das Studium abgebrochen", oder: "Ich bin zu Hause geblieben weil mein Mann mehr verdient", klingen so auf einmal wie Ausreden, um die Männer abzuzocken. Dabei fördert doch gerade das unsägliche Ehegattensplitting immer noch, dass der besser verdienende Partner arbeiten geht, während der andere Kinder und Haushalt betreut.

Gleichzeitig sind zwei Vätermonate beim Elterngeld viel zu wenig, wenn es um die Gleichstellung der Frau innerhalb der Familie geht. Solche Gesetze zementieren die klassische Rollenverteilung in der Familie.

Nach einer Trennung soll das alles plötzlich anders sein. Nach dem neuen Unterhaltsrecht soll sich die Mutter eine Stelle suchen, damit der Exmann entlastet wird. Immerhin, die Idee, Mütter in die Erwerbstätigkeit zu drängen, klingt fortschrittlich. Doch die realen Bedingungen in der Arbeitswelt und bei den Betreuungsangeboten hinken hinterher. Die Kitaplätze und Tagesmütter, die Familienministerin Ursula von der Leyen in den nächsten fünf Jahren aufstocken will, existieren noch nicht. Auch wer einen Betreuungsplatz für den Nachwuchs ergattert hat, kann nicht einfach einen Vollzeitjob annehmen: Viele Kindergärten schließen schon mittags. Eine flächendeckende Betreuungslandschaft, in der die Kinder komplett von morgens bis 19 Uhr versorgt sind, ist Wunschdenken. Selbst wenn die Vollzeitbetreuung für Töchter und Söhne funktioniert, ist der Wiedereinstieg der Mutter in den Beruf kompliziert - eine Karriere mit Aufstiegschancen ist dann längst kein Thema mehr. Studien haben gezeigt, dass eine Frau, die nicht sofort nach der Geburt wieder Vollzeit arbeitet, später in ihrem Beruf nur schwer wieder Fuß fassen kann. Die Gehälter von Frauen liegen immer noch um 20 bis 30 Prozent unter denen der Männer. Kinderarmut ist laut dem letzten Armutsbericht vor allem ein Problem alleinerziehender Haushalte. Und wer mehrmals im Jahr wegen eines kranken Kinds ausfallen könnte, gilt selten als für eine Führungsposition "geeignet".

Eine geschiedene oder getrennte Mutter hat also kaum Möglichkeiten, den Karriereeinbruch Kind auszugleichen. Vor Gericht muss sie sogar für die Errechnung des Unterhalts genau nachweisen, wie viel sie hätte verdienen können, hätte sie ihren Mann nie kennengelernt und keine Kinder bekommen. Eine traurige Rechnung, und unpraktikabel zugleich.

Wer so denkt, macht Babys zu einem Risikofaktor für die Frau. Weil fast jede zweite Ehe geschieden wird, muss sie genau abwägen: Jede Minute mit dem Kind bedeutet einen Rückschritt in der eigenen Karriere. Nach einer Trennung ist unklar, wie die Frau sich weiterfinanzieren kann - während der Mann durch das Gesetz vor einer "lebenslangen Zahllast" befreit werden soll. Doch wer spricht von lebenslangen Karriereeinbußen, die sich bei vielen Müttern einstellen? Eine vorausschauende Frau wird deswegen einen detaillierten Ehevertrag mit Unterhaltsregelungen verlangen - oder einfach keine Kinder bekommen. In jedem Fall muss sie ihre Zugeständnisse an den Partner, und an das Kind, stark einschränken.

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