Beim Spacewalker

ORTSTERMIN Wie Olafur Eliasson sich im Film sieht, die deutsche Fassung eher mäßig findet und mit dem Publikum über Mainstream, Kommerz und Michael Blumberg diskutiert

„Ich weiß ja nicht, ob die Ideen für die Ausstellung so toll sind. Vorübergehend scheint es für mich eine sehr schöne Ausstellung zu sein“

OLAFUR ELIASSON

VON STEFFEN GRIMBERG

„Was macht einen Raum produktiv und herausfordernd?“ Diese typische Olafur-Eliasson-Frage hätte man bei der kleinen Voraufführung der Arte-Dokumentation „Licht – Raum – Zeit“ im Kinosaal des Martin-Gropius-Baus in Berlin recht schnell mit „Das hier“ beantworten können: Das Knäuel vor der Tür, das lautstark Einlass begehrte, forderte Künstler wie Türsteher heraus. Doch der Raum war voll.

Für Eliasson ist Raum alles, seine Kunst soll „aufrecht und ehrlich in der Welt“ stehen, „Verantwortung übernehmen“. Das sagt er im Film, für den ihn die dänischen Regisseure Hendrik Lundo und Jacob Jorgensen fünf Jahre begleiteten, von den New Yorker Wasserfällen bis zu den Gletscherlöchern seiner isländischen Heimat. In die hinein fotografiert er von einer waghalsigen, auf einen Geländewagen montierten Leiterkonstruktion.

Die Betrachter in die Kunstwerke einbeziehen, das ist Eliassons Credo – was sich auch in der noch bis Anfang August laufenden Ausstellung „Innen Stadt Außen“ ein Stockwerk darüber manifestiert. Seine Kunst, seine Ideen wollen ganz bewusst Mainstream sein, im Sinne von „für alle zugänglich, einfach, nicht elitär“ – „weil ich glaube, dass es Potenzial gibt, weil wir in der Mitte stehen“, wie er im Film sagt. Doch wenn dann eine PR-Dame die Wasserfälle, die er 2008 am Hudson-River in New York errichtet, „einfach“ nennen möchte, greift Eliasson schon durch: „Man kann ja sagen, die Idee sei einfach – aber warum haben wir dann zwei Jahre gebraucht und 15 Millionen Dollar ausgegeben?“

Das ist dann Eliasson, das Marketinggenie. Nach dem Film sitzt er bescheiden in grünen Socken da und guckt leicht irritiert, weil es weiter wie im Shakespeare-Drama laut und hohl an der Saaltür pocht: Das Knäuel hat sich immer noch nicht zerstreut. Irritiert hat den Künstler auch die Synchronfassung des Films, in dem er überwiegend Englisch und ein bisschen Isländisch spricht, der aber nach deutscher TV-Unsitte gnadenlos per Voiceover zugequatscht wird. „Nicht so schön“ findet er das.

Ist er nun zuvörderst ein begnadeter Verkäufer? Ist es nur Koketterie, wenn er auf Fragen aus dem Publikum lange nachdenkt und sagt „Ich habe Schwierigkeiten, Ideen überhaupt zu finden“; oder wenn er Fragen nach der Religiosität seiner Werke mit einem aphorismustauglichen „Ich bin Atheist, glaube ich“ beantwortet?

„Die Kunstwelt ist von einer sehr merkantilen Form der Vermittlung beeinflusst“, sagt er vor allem mit Blick auf die USA, wo auch Bürgermeister Michael Bloomberg in den Genuss der Aufmerksamkeit kam, die Eliassons Wasserfällen galt. Der Medienmulitmilliardär Bloomberg hatte als Mäzen sogar selbst in die Tasche gegriffen – „ich musste zum Glück nicht zu diesen Partys“, sagt Elliasson. Und auch sonst musste sich Bloomberg zurückhalten: Der Vertrag sah vor, „dass der Bürgermeister nur in nicht quantifizierbaren Kategorien über meine Arbeit sprechen darf, also nicht ‚so und so viel Geld hat es gekostet, so viele Touristen sind extra deswegen nach New York gekommen‘ “. Bloomberg durfte nur die Qualität loben und über Kunst reden.

Gropius-Bau-Leiter Gereon Sievernich hatte da dummerweise schon von der „Olafur-Eliasson-Schlange“ geschwärmt, die sich jetzt mit der zur zeitgleich laufenden Frida-Kahlo-Ausstellung um die Wette schlängelt und „mehr als 100.000 Besucher“ bei „Innen Stadt Außen“ beklatscht. „Vielleicht“, sagt Eliasson, „hätten wir auch einen Vertrag machen müssen“ – und killt dem eben dazu ansetzenden Hausherrn nonchalant das Schlusswort: „Danke, dass sie alle gekommen sind. Tschüß.“

„Olafur Eliasson: Licht – Raum – Zeit“; 26. Juli, 22.35 Uhr, Arte