Knack den Sarrazin

TALKSHOWS Erst durfte Beckmann sich versuchen, dann musste Plasberg ran: Wie die ARD-Journalisten versuchen, den Populisten und seine Genetik-Thesen zu entzaubern

In Erinnerung bleibt ein stotternder Sarrazin, der zugeben muss, dass er keine Ahnung von Genetik hat

VON ULRIKE HERRMANN

Wie entzaubert man Populisten? Die ARD hat eine interessante Versuchsanordnung geliefert. Sie lud Thilo Sarrazin gleich doppelt ein. Erst am Montag und dann am Mittwoch schon wieder. Doch die Talkshows endeten denkbar unterschiedlich. Bei Reinhold Beckmann konnte sich Sarrazin als Sieger fühlen. Bei Frank Plasberg war er der Verlierer.

Plasbergs „Hart aber fair“-Team hatte sich offenbar intensiv angesehen, was bei der Konkurrenz schiefgelaufen war. Die Fehler dort begannen schon bei der Auswahl der Gäste: Beckmann hatte vor allem aktive Politiker eingeladen. Von den Grünen kam Fraktionschefin Renate Künast, von der SPD Parteivize Olaf Scholz und von der CDU die neue niedersächsische Integrationsministerin Aygül Özkan. Allein TV-Moderator Ranga Yogeshwar war keiner Partei zuzuordnen.

Aktive Politiker sind jedoch qua Amt fast chancenlos, gegen Populisten anzukommen. Denn diese inszenieren sich stets als Tabubrecher, die eine Wahrheit enthüllen, die vom elitären Establishment verschwiegen wird. Sobald also Spitzenpolitiker parteiübergreifend Sarrazin angreifen, wird dieser automatisch in seiner Pose bestätigt, dass er für eine schweigende Mehrheit spricht, die gegen die Funktionäre keine Chance hat. Zudem entwickeln selbst neutrale Zuschauer schnell Mitleid, wenn sich ein Gast gegen alle anderen verteidigen muss.

Bei Plasberg hingegen saß kein aktiver Parteipolitiker – und Sarrazin hatte einen Unterstützer. Gleich neben ihm saß der rechtskonservative Zeithistoriker Arnulf Baring, der zunächst brav seine Sekundantenrolle erfüllte, indem er Sarrazins Buch einen „nachdenklichen, gut belegten Essay“ nannte, der endlich „Tabus“ gebrochen habe. Danach verfiel Baring allerdings in hartnäckiges Schweigen. Von ihm ungehindert konnten sich der jüdische Moderator Michel Friedman, der ehemalige Israel-Botschafter Rudolf Dressler und die türkischstämmige Moderatorin Asli Sevindim über Sarrazins Behauptung empören, dass Juden genetisch bedingt besonders intelligent und Muslime eher blöd sein sollen.

Irgendwann fiel jedoch auf, dass von Baring gar nichts mehr zu hören war. Er sei ja so „erstaunlich still“, wurde er von Plasberg aufgezogen. Da rang sich Baring doch eine klärende Stellungnahme ab. Sarrazins Biologismus sei ihm eher fremd. Damit wurde der Graben sichtbar, der Sarrazin langfristig am meisten schaden wird: Auch Rechtskonservative wenden sich von ihm ab, weil sie mit seinen rassistischen Intelligenztheorien nichts zu tun haben wollen.

Doch nicht nur bei der Auswahl der Gäste hatte das Plasberg-Team dazugelernt. Anders als bei Beckmann durfte Sarrazin seinen Lieblingstrick nicht mehr wiederholen, immer neue Zahlen aus seinem Buch vorzubringen, bis die Sendung in einem Datenwirrwarr erstickt. „Hier geht es um Methodik, nicht um eine Zitatschlacht“, wiederholte Plasberg gleich dreimal.

Und um die Methode auseinanderzunehmen, wurden zunächst Textpassagen von der Psychologin Elsbeth Stern eingeblendet, die sich dagegen verwahrt, dass Sarrazin sie als Kronzeugin missbraucht. Doch als sei er taub, blieb Sarrazin einfach dabei: „50 bis 80 Prozent der Intelligenz sind erblich.“ Mit Argumenten allein ist Sarrazin nicht beizukommen. Diese Erfahrung hatte schon Beckmann machen müssen, der zudem den Fehler beging, allzu stark auf externe Experten zu vertrauen, die zugeschaltet oder gleich ins Studio eingeladen wurden. Denn entweder verhedderten sich diese Experten in ihren Zahlen, oder aber sie verloren das eigentliche Thema aus den Augen. Vom Streetworker Thomas Sonnenburg war etwa zu erfahren, dass sein Sohn gerade Abitur macht.

Das Plasberg-Team hingegen überließ nichts dem Zufall. Man verzichtete auf Fachleute von außen und hat lieber Eigenrecherchen angestellt. Amüsant war etwa die Berechnung des Statistischen Bundesamts, dass in Deutschland heute rund 253 Millionen Menschen leben müssten, wenn Sarrazins „Prognostik“ auf die Vergangenheit angewendet und das Jahr 1890 als Ausgangspunkt gewählt wird.

In Erinnerung bleibt ein stockender, stotternder Sarrazin, der zugeben muss, dass er keine Ahnung von Genetik hat. „Ich habe davon gelesen.“ Seine These vom „Juden-Gen“ muss er gar als „Riesenunfug“ zurückziehen. Das sei ein „Blackout“ gewesen.