Kolumne Habseligkeiten: Zurück in die Vergangenheit

Sie dachten, Ihre Pubertät sei überstanden? Dann bekommen Sie erst mal wieder ein Kind.

Vor ein paar Tagen wollten wir gerade vom Spielplatz aufbrechen, da fehlte der Tochter ein Hello-Kitty-Eimer. "Macht nichts, Kind, morgen kaufen wir dir einen neuen", sagte ich, denn abends um halb sieben würde ich wahrscheinlich einen Elefanten bezahlen, nur um schadlos nach Hause zu kommen. Es nützte nichts. Die Tochter (4) heulte und schrie, wie übermüdete Kinder es so gut können. Ihren Eimer wolle sie wiederhaben, keinen anderen.

Später, nach einem entsetzlichen Heimweg, trug sie mir auf, ich solle endlich wie alle anderen Menschen auch ihren Namen auf das Sandspielzeug schreiben, dann würde nicht immer alles verschwinden. Also kramte ich die letzte auf Vorrat gekaufte Sandgarnitur des Sommers aus der Abstellkammer. Im Schreibwarenladen gegenüber kaufte ich am nächsten Tag einen Edding 300 und schrieb auf jede Form und jede Harke dick und schwarz den Namen der Tochter.

Obwohl ich ja nur unser Eigentum markierte, kam ich mir mit dem Edding in der Hand ganz schön verwegen vor. Der klassische Edding nämlich ist ein Lebensphasenstift.

Meinen letzten solchen besaß ich in dieser schwierigen Zeit meines damals noch jungen Lebens, als ich dauernd auf Krawall gebürstet war. In diesem Alter, kurz vor 15, ziehen Kohorten von Jugendlichen mit einem Edding durch die Gegend, damit jeder noch so liebliche Ort des Landes bald das Ambiente eines verranzten Schulklos besitzt. Alles, was man dazu machen muss, ist "Ben + Julia" auf eine glatte, saubere Oberfläche zu schreiben, und keine drei Sekunden später wird daneben schon der nächste dumme Spruch zu lesen sein.

Wir hatten es damals in den 80ern, typisch weiblich, auf unsere Taschen abgesehen. Ledertornister haben wir damals mit Ottifanten, Blumen und Sternchen überzogen. Auf dem Federmäppchen musste jeder aus der Klasse unterschreiben. Weil wir Mädchen nach kurzer Zeit vom schwarzen zum lilafarbenen Edding mit Glitzerelementen umschwenkten, erlaubte uns das, auch die hässlichen Taschenrechner aufzuhübschen. Nachdem wir etwa ein Jahr lang unser sämtliches Eigentum angemalt hatten, wurde es ausgewechselt, und damit geht bei den meisten Jugendlichen die Edding-Phase vorbei. Für immer, dachte ich, aber das stimmt nicht.

Wenn die Kinder geboren werden, mit ihrem Spielzeug in den Park gehen, dann bricht bei uns Eltern die Phase zwei aus. Ich jedenfalls schmierte bald lustvoll überall den Namen meiner Tochter hin. In die Stoppersocken, auf ihr Fahrradschloss, auf Trinkflaschen und Gummistiefel. Der gut sichtbaren Beschriftung allen kindlichen Eigentums nach zu urteilen überkommt dieses postpubertäre Schmierfinkentum alle Eltern. Denn wenn erst mal ein Name irgendwo draufsteht, kann einem keiner mehr komisch kommen.

Meine Tochter hat das auch schon gelernt. Als ihr gestern jemand noch Kleineres die Schaufel wegnehmen wollte, zeigte sie stolz auf die Beschriftung und sagte böse "Das gehört mir!". Das stimmte zwar nicht, es war ein ähnlicher Name auf einer ähnlichen Schaufel, Wirkung aber zeigte es. Ein Edding nämlich sagt mehr als tausend Worte.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.