Ratlos vorm Rathaus

RUSSLAND Der neue Moskauer Bürgermeister sperrt Journalisten aus – Ausrutscher oder Stilwechsel?

Nach knapp einer Woche im Amt hat sich Moskaus Bürgermeister Sergei Sobjanin schon bei den Medien unbeliebt gemacht. Von der ersten Sitzung des Stadtparlaments am Dienstag waren Journalisten ausgeschlossen.

„Uns wurde gesagt, dass wir keine Medienvertreter hineinlassen dürfen. Wir wissen nicht, ob das so bleibt“, sagte eine der Wachen des Regierungsgebäudes der Nachrichtenagentur RIA Novosti. Offiziell begründet wurde dies nicht.

Bislang existierte eine Liste, auf der alle akkreditierten Medien verzeichnet waren. Deren Mitarbeiter hatten mit Presseausweis stets ungehinderten Zugang. „Wir konnten uns überall frei bewegen und in einem Extraraum die Direktübertragung der Sitzung verfolgen“, sagt Irina Pulja von der Rossijskaja Gazeta.

In der abgeschirmten Sitzung wurde unter anderem Aleksander Gorbenko, der Vorsitzende des Verbandes russischer Herausgeber, als neuer Vizebürgermeister für Medien, Sport und Tourismus bestätigt. Er wird fortan auch den Pressedienst des Bürgermeisters leiten.

„Wir hoffen, dass dieses Verbot eine einmalige Aktion war“, sagt Irina Pulja. Die neue Regierung müsse erst noch die Regeln für den Umgang mit den Medien festlegen. Vielleicht müssten die Journalisten künftig für jede Veranstaltung ihre Akkreditierung neu beantragen.

Matvei Ganopolski, Moderator beim unabhängigen Radiosender Echo Moskvy, ist da anderer Meinung. „Die demonstrierte Halböffentlichkeit zu Zeiten des vorigen Bürgermeisters Juri Luschkow ist zusammen mit ihm selbst entsorgt worden. Jetzt wissen die Leute nicht, wie die Entscheidungen in Moskau getroffen werden. Das ist es, was ein nichtgewählter Bürgermeister bedeutet.“ Laut einer Umfrage von Echo Moskvy lehnen 77,5 Prozent der Zuhörer ein Verbot für Journalisten, den Sitzungen beizuwohnen, ab. ADILYA ZARIPOVA