DIE GESELLSCHAFTSKRITIK
: Noch eine Online-Gruft

WAS SAGT UNS DAS? Helmut Markwort hat eine Geschäftsidee, die so alt ist wie das Internet selbst

Noch ist die Seite blau, nichtssagend und unpersönlich. Klingt nach einem neuen Facebook-Profil? Fehlanzeige. Auch wenn www.stayalive.com nicht viel origineller ist: Es ist ein Online-Friedhof, mit dem Verblichene im Internet unsterblich werden sollen. Es stammt von Helmut Markwort, Exchefredakteur und Herausgeber des Magazins Focus. Zusammen mit Web-Geschäftsmann Matthias Kreiger ruft er ein soziales Gedenk-Netzwerk ins Leben. Da bekommt es schon fast PR-Charakter, dass Markwort im Stück „Der hessische Jedermann“ des Frankfurter Volkstheaters dieses Jahr die Rolle des Tods übernahm.

Wer bis zum Launch am ersten November Facebook-Fan der Netzgruft wird, erhält ein kostenloses Ewigkeitskonto. Was nahelegt, dass das Trauern danach kostenpflichtig wird. Auch wenn das Portal noch nicht fertig ist, geistern erste Seitenansichten schon jetzt durchs Netz. So sollen Verbliebene per Google Maps erfahren, wo die Person tatsächlich begraben ist, spenden und virtuelle Kerzen anzünden können.

„Freuen Sie sich auf ein neues Portal“, kündigt sich Stayalive an. Doch das große Geheimnis, das Markwort durch mysteriöse Pressemitteilungen ins Netz brachte, ist entzaubert. Denn neu sind nicht mal die Kerzen.

Online-Friedhöfe gibt es schon lange. Und es gibt sie en masse. Anfang der Neunziger sorgten sie vielleicht noch für Empörung, mittlerweile nur noch für Augenrollen. Selbst auf Portalen für Lebende haben Tote Profile. Stirbt ein Freund, wird seine Seite entweder zum Kondolenzbuch oder zum makabren, unsterblichen Überrest. Wer liest schon gern „Trete wieder mit ihm/ihr in Kontakt“, wenn das gar nicht mehr möglich ist? Und wer zur Hölle soll dafür eigentlich Geld bezahlen wollen? TIQ