ARNO FRANK ÜBER GERÄUSCHEBREAKING NEWS: „BREAKING NEWS“! DIE NEUE SINGLE VON MICHAEL JACKSON! SCHON GEHÖRT?
: Ein Stück von Michael Jackson

Montag Barbara Dribbusch Gerüchte

Dienstag K.-P. Klingelschmitt Älter werden

Mittwoch Natalie Tenberg Habseligkeiten

Donnerstag Josef Winkler Wortklauberei

Freitag David Denk Fernsehen

Wie das schon losprescht mit seiner doch wirklich ganz hübschen Melodie und diesen bösen Bässen, die zuschnappen wie rostige Bärenfallen! Dazu seine typischen, larmoyanten Schluchzer, als entwichen sie einem sexuellen Überdruckventil: „Everbody wanting a piece of Michael Jackson, d’ah!“.

Tja. Welche „Position“ hier „verhandelt“ wird, ob das Lied nun „transgressiv“, „stylish“ oder auch einfach nur peinlich ist – ach, darüber sollen sich mal lieber zornesfaltige, qualifizierte Popkulturarbeiter wie Klaus Walter, wahlweise auch die an Bord der längst auf Grund gelaufenen Spex verbliebenen Wohlstandsmöchtegernniggerchen die Köpfe zerbrechen. Ich find’s famos. Und hatte, weil „Breaking News“ mit seinen ziellosen Arpeggios, modernistischen Scratches und billig synthetischen Bläsern so rührend unfertig klingt, sogar eine kleine Gänsehaut. Obwohl „Gänsehaut“ im meinungshoheitlichen Popdiskurs kein Argument ist.

Nun behauptet die Familie von Michael Jackson ziemlich geschlossen, die Stimme von Michael Jackson sei nicht die Stimme von Michael Jackson. Ist das etwa ein Argument? Ist jede geldgeile Rotte blut- und seelensaugender Parasiten gleich eine „Familie“? Darf der Mann denn nicht singen, wie er lustig ist – mit einem anderen Timbre, vielleicht sogar durchs Telefon? Wie „echt“ war denn Michael Jackson, als er noch lebte?

Manchen Musikern tut so ein vorzeitiges Ableben ja ganz gut. Leute wie Jimi Hendrix etwa bringen, obschon seit fast 40 Jahren mausetot, auf mysteriöse Weise alljährlich neue Songs auf den Markt. Elvis, Morrison, Joplin, Lennon – Michael Jackson wird sie alle überholen. Es wird sein, als wäre er noch da. Sogar noch viel besser, weil er sich und seinen Verwertern nicht mehr im Weg steht. Alles Posthume, es ist immer eine Goldeselei.

So soll es sein. Man stelle sich nur vor, die Musik verschwände mit dem, der sie geschaffen hat. Man stelle sich vor, auf sämtlichen Tonband-, Vinyl-, CD- oder MP3-Aufnahmen von Pink Floyd wären mit dem Tod von Richard Wright auch die Keyboardspuren gelöscht. The Who gäbe es nur noch ohne das Schlagzeug von Keith Moon, und „Abbey Road“ wäre in einer auf Bass, Schlagzeug und Gesang reduzierten Version womöglich nicht mehr ganz so geil. Man stelle sich ferner vor, Michael Jackson verfolge die Debatte um die Echtheit seiner Stimme genau jetzt auf dem pazifischen Eiland seines alten Freundes Marlon Brando. Er würde, sein verhuschtes Kichern kichernd, endlich den Laptop zuklappen und runter zum Strand schlendern. Er würde eine Weile den Ozean um seine Knöcheln spielen lassen und dabei mit halb geschlossenen Augen den leeren Horizont betrachten. Unter der Sonne würden seine alten Operationsnarben ein wenig zwicken, weshalb er sich gleich aufs Ohr legen wird, da drüben, unter dem Baldachin. Zur letzten Ruhe.

Text: „Sometimes I get the feeling/ That I won’t be on this planet/ For very long/ I really like it here/ I’m quite attached to it/ I hope I’m wrong“ (Ben Folds, „Don’t Change Your Plans“)

Musik: Der polternde LoFi-Drum’n’Bass der Müllabfuhr.