Mubaraks letzte Getreue

über den Protest der Mittelschicht

NORA MBAGATHI

Unsere Autorin, 23, studiert in Kairo und berichtet vom Alltag im Chaos.

Revolutionen können eintönig sein, wenn sie lange dauern. „Es gibt bestimmt etwas, was wir gerade tun sollten, und wir sitzen hier und tun es nicht“, kommentiert Yousef die Langeweile und macht seine Jacke zu. Es wird Abend auf dem Tahrir-Platz, und die Temperatur fällt.

Ich denke über diesen nur halb witzig gemeinten Satz nach. Vielleicht entwickelt sich nichts Neues, weil selbst grundlegende Kommunikationsmittel fehlen? Aber es wissen ja doch alle über jedes Gerücht Bescheid. Wie kommt das in einem Land, in dem das Internet gesperrt ist, man keine SMS verschicken kann und auch Handyverbindungen unzuverlässig sind? Wir sind auf Satellitenfernsehen und Hörensagen angewiesen, um Nachrichten weiterzugeben. Das funktioniert, kann aber zu Verwirrung führen. Zumal der wichtige Kanal al-Dschasira weiterhin sendet, aber sein Büro in Kairo schließen musste.

„Morgen um zehn Uhr gibt es Märsche aus ganz Kairo zum Tahrir“, kündigt ein junger Mann mit Megafon auf dem Platz an. Ich schaue ihm nach. „Ich dachte, der Marsch geht zum Präsidentenplast?“, frage ich in die Runde. Nein, dieser Marsch sei erst um eins. Ach so. Und wo beginnt der? Das wisse man nicht so genau. Al-Dschasira berichtet, dass er von der sozialen Bewegung 6. April ins Leben gerufen worden sei, einer der vielen oppositionellen Organisationen, die in den letzten Jahren entstanden sind. Ich frage eines der Gründungsmitglieder nach den genauen Angaben. Zufällig ein Freund von mir, der neben uns sitzt. „Was denn für ein Marsch?“, fragt er zurück und schaut nicht mal auf. Er versucht gerade, ein Lagerfeuer zu entfachen, um für ein bisschen Wärme zu sorgen. Das ist wichtiger.

Es gibt am nächsten Tag keinen Marsch zum Präsidentenpalast. Doch auf dem Tahrir-Platz stehen wir dicht gedrängt, und von den Seiten strömen seit zehn Uhr morgens wie angekündigt immer mehr Leute.

Einer der Demonstranten hält ein Plakat hoch: „Wir wollen Internet!“ Ich lache ihn an. Wozu?

Am nächsten Tag kommt das Internet zurück. Offenbar hat auch Mubarak begriffen, dass man für Revolutionen nicht unbedingt das Netz braucht. Sondern Unterstützer. Seine letzten Getreuen provozieren jetzt Gewalt.