Der Ehrenbär kommt

ARMIN MUELLER-STAHL Von der DDR nach Hollywood und zurück: Dafür gibt’s die Ehrung der Berlinale

Vielleicht ist er so etwas wie eine Postkarte aus der Heimat. Der gute Deutsche, der plötzlich auftaucht in Filmen, die von Deutschland, deutscher Kultur, deutschem Fernsehen, deutschem Film sehr sehr weit entfernt scheinen, und dann ist er plötzlich da, fährt Taxi wie in Jim Jarmuschs „Night on Earth“ und spricht gebrochenes Englisch (da klingt „Helmut“ eben immer wie „Helmet“ und umgekehrt), und ein bisschen schämt man sich für diesen scheußlich klingenden Akzent und das immer auch ein wenig hölzern wirkende Spiel dieses Mimen, der einem dann eben so deutsch, so eckig, so typisch vorkommt, und doch freut man sich und ist ein bisschen stolz.

Armin Mueller-Stahl, der in Filmen aus Hollywood auch andere Ausländer darstellen konnte, besonders auffällig zuletzt in David Cronenbergs „Eastern Promises“, wo er den Boss einer in London ansässigen Russenmafia spielt, bringt ja auch tatsächlich viel deutsche Geschichte mit: Geboren wurde er 1930 in Tilsit, Ostpreußen, aufgewachsen ist er im ostdeutschen Prenzlau.

Seine erste große Karriere war eine bei der Defa, wo er in den siebziger Jahren einen Stasi-Agenten verkörperte, der die real sozialistische Antwort auf James Bond sein sollte. So waren die Zeiten.

Im Zuge der Biermann-Ausbürgerung, gegen die er mit seiner Unterschrift protestierte, verließ aber auch er die DDR und reüssierte schnell bei Fassbinder („Lola“) und schließlich auch in den westdeutschen Fernsehprogrammen, bevor er dann sogar den Schritt über den Atlantik wagte – immer mit Feingefühl in der Rollenauswahl und immer mit dieser gewissen Kantigkeit in der Darstellung.

Tatsächlich kennen ihn ja auch alle: Die einen kennen ihn als Thomas Mann oder als Thomas-Mann-Figur („Die Buddenbrooks“), die anderen von Jarmusch, Cronenberg oder den Filmen von Costa-Gavras. Im besten Sinne ist Mueller-Stahl also ein deutscher Großdarsteller, einer, auf den man sich einigen konnte, und einer, der sich nie scheute, sich auch politisch zu äußern oder mutige Entscheidungen zu treffen. 2006 wollte er sich aus dem Filmgeschäft zurückziehen – mit der ungefähren Begründung, dass er das Salär für ihn und die meisten seiner Kollegen und Kolleginnen nicht mehr der Leistung entsprechend fand. Doch auch daraus wurde bekanntlich nichts: Mueller-Stahl dreht munter weiter.

Der nebenbei malende Mime, der in den letzten Jahren auch Preise wie die Ehrenbürgerschaft Schleswig-Holsteins sammelt, wird jetzt noch mal groß geehrt: Bei der Berlinale bekommt er den „Goldenen Ehrenbären“ und eine besondere Filmhommage. Mit „Music Box“, jenem Costa-Gavras-Film, der ihn 1989 in Übersee einführte, heute Abend im Filmpalast. Armin Mueller-Stahl, Helm ab! René Hamann