Sharjah, sensibel und angepasst

KUNSTFREIHEIT Anhaltende Empörung in den Arabische Emiraten

Die Kuratoren der Sharjah Biennale, Haig Aivazian und Rasha Salti, haben sich in einem „letzten Brief“ noch einmal mit dem Protestaufruf anlässlich der Entlassung Jack Persekians solidarisch erklärt. Allerdings sehen sie sich nicht als die Speerspitze des Protests: Die große Zahl von Unterzeichnern und die Schnelligkeit, in der die Unterschriften eingegangen seien, deuteten auf eine Empörung hin, die weit über den konkreten Fall hinausgehe, schreiben sie.

Diese Empörung ist die aktuelle arabische Empörung, wo immer man hinschaut. Es ist die arabische Empörung über die permanente politische, religiöse und familiäre Bevormundung des Einzelnen in der arabischen Welt. Auch in Sharjah wird bevormundet, die Biennale soll auf die besonderen kulturellen Sensibilitäten des Scheichtums Rücksicht nehmen.

Die Kuratoren rechtfertigen sich, diese Restriktionen akzeptiert zu haben. Sie hätten in ihnen „einen fruchtbaren Ausgangspunkt, keine hemmende Vorgabe“ gesehen. Diese Äußerungen sind so skandalös wie die Intervention des Scheichs selbst. Kein Kurator darf die grundlegende Bedingung der zeitgenössischen Kunst – dass sie frei sein muss – zu einer je nach Situation verhandelbaren Angelegenheit erklären. Damit verfehlte er seinen Beruf. Auch in Sharjah muss noch das angepassteste Kunstwerk unter der Annahme betrachtet werden, es sei ohne erzwungene Rücksichtsnahmen, rein nach dem Gusto des Künstler oder der Künstlerin entstanden. Andernfalls verliert die noch bis 16. Mai dauernde Biennale ihr Mandat, dem künstlerischen und gesellschaftspolitischen Geschehen der Region Ausdruck zu geben, das sie durch die Arbeit Jack Persekians erhalten hat. BRIGITTE WERNEBURG