Als Korrespondent in Syrien : Katz und Maus in Damaskus

Seit Beginn der Unruhen wird unserem Korrespondenten in Syrien die Arbeit nahezu unmöglich gemacht. Recherchen sind nur undercover möglich.

Mit Steinen gegen Panzer: Szene aus einem heimlich aufgenommenen Video bei Auseinandersetzungen in der Nähe von Daara. Bild: ap

DAMASKUS taz | Um als ausländischer Journalist in Syrien arbeiten zu können, bedarf es einer offiziellen Akkreditierung, die einen Monat vor geplantem Reisedatum bei der syrischen Botschaft in Berlin eingereicht werden muss. Vor Erhalt der Arbeitserlaubnis, die normalerweise ein einmonatiges Einfachvisum beinhaltet, muss man seine Recherchethemen den zuständigen Botschaftsmitarbeitern schildern.

Auch schon vor Beginn der aktuellen Unruhen, bevor, wie jetzt, keine Journalisten mehr offiziell ins Land gelassen wurden, waren die Themen, über die man als Ausländer schreiben durfte, äußerst beschränkt.

Gerne gesehen sind Berichte über die große Geschichte des Landes, die historischen Bauten, die islamische Tradition, kulinarische Spezialitäten, die nationale Einheit trotz konfessioneller Vielfalt und über den Präsidenten als gerechten, visionären Modernisierer des Landes.

In einem einstündigen Gespräch klopfen die Mitarbeiter der Botschaft vor Erteilung der Arbeitserlaubnis dazu noch die Haltung des Pressevertreters zum Regime ab - natürlich darf man hier nichts Kritisches vorbringen, sondern muss beweisen, dass man sich bereits im Vorfeld umfassend informiert hat und den Anweisungen der Mitarbeiter des Informationsministeriums in Syrien Folge leisten wird.

Seit Mitte März demonstrieren die Menschen in Syrien gegen die Regierung von Präsident Baschar al-Assad. Die Demonstranten fordern ein Mehrparteiensystem, Bürgerrechte, Korruptionsbekämpfung, unabhängige Gerichte und die Freilassung politischer Gefangener. Laut Angaben der Opposition sind während der Demonstrationen bislang über 800 Menschen von Scharfschützen oder Panzern getötet worden.

Um den Informationsfluss aus dem Land zu unterbrechen, sind größtenteils die Telefon- und Internetverbindungen unterbrochen. Ausländische Journalisten befinden sich nicht mehr im Land.

Kaum in Syrien angekommen, hat sich der Journalist bei der staatlichen Stelle zu melden, seine lokalen Kontaktdaten einzureichen und steht ab diesem Moment unter Beobachtung - und bekommt "Hilfestellung" beim Recherchieren der im Vorfeld der Reise abgesegneten Themen. Deshalb arbeite ich mit Unterbrechungen seit 2005 "undercover" in Syrien.

Ein Geheimdienstarbeiter auf 153 Bürger

In einem Land, in dem auf 153 Bürger ein Geheimdienstmitarbeiter kommt, birgt das natürlich ein Risiko, ermöglicht aber bessere Recherchemöglichkeiten. Vor allem dann, wenn man, wie aktuell, mit Oppositionellen, Aktivisten, Menschenrechtlern, Studenten und ganz normalen Menschen auf der Straße sprechen muss.

Die Mitarbeiter der offiziellen Stellen nach Kommentaren zu befragen, was ich als illegal arbeitender Journalist natürlich nicht darf, würde sich ähnlich wie in allen anderen Ländern gestalten, in denen eine Einheitspartei herrscht: "Vermeldung von höchster Stelle …", fertig, aus, keine Diskussion. Sollte ich offizielle Kommentare brauchen, so finde ich sie auf der Website der staatlichen Nachrichtenagentur ohnehin.

Bislang hat mich in Syrien anscheinend noch niemand gegoogelt, sollte dies einmal passieren, so würde zumindest meine Tätigkeit als Nahostkorrespondent bekannt. Und dass ich im besetzten Palästina war, somit nie mehr nach Syrien, offiziell immer noch im Krieg mit Israel, hätte einreisen dürfen.

Aus Syrien habe ich daher bislang immer unter Pseudonym berichtet.

Nachdem bereits im Februar auf einer Facebook-Seite der erste "Tag des Zorns" in Syrien ausgerufen wurde, an dem sich unbeachtet von den deutschen Medien zwanzig Menschen in Damaskus zum Protest versammelten und verprügelt wurden, beantragte ich bei der Botschaft mein sechs Monate gültiges Touristenvisum.

Die Reisevorbereitungen traf ich noch geflissentlicher als bei vorhergehenden Reisen: keine Visitenkarten, keine Adressbücher, keinen Presseausweis oder Aufnahmegeräte im Gepäck. Dafür Reiseführer, Lehrbücher über arabische Kalligrafie, abgenutzte Arabisch-Vokabelhefte.

Das Foto einer arabischen Freundin im Portemonnaie, meiner angeblichen Verlobten, für die ich vor der Hochzeit und der Konvertierung Arabisch lernen müsse, um den Koran lesen zu können. So mein Cover, das ich auf Hocharabisch vortragen und erläutern kann.

Ein kurzer Gefängnisaufenthalt, eine Ausweisung, wie es einem Team der Nachrichtenagentur Reuters im März widerfuhr, wahrscheinlich auch eine unbefristete Einreisesperre wäre die Konsequenz gewesen, falls sie mich erwischen würden.

Körperlich misshandelt wurden bislang nur syrische Journalisten, verschwanden und wurden für Jahre inhaftiert. Syrien (Stand 2010) steht auf Platz 165 von 175 Ländern in der von Reporter ohne Grenzen zusammengestellten Liste der Pressefreiheit, rund 300 Blogger, Journalisten und Autoren sitzen derzeit in Haft, weil sie zu frei geschrieben haben oder ausländischen Medien unter ihrem echten Namen Interviews gegeben haben.

Ich befragte die erfahrenen taz-Kollegen nach vertrauenswürdigen Kontakten zu alten Regimegegnern, vereinbarte mit meiner Partnerin in Berlin, mich täglich zweimal zu melden, dabei einen bestimmten Sprachcode zu nutzen, den ich im Falle einer Inhaftierung zu ändern hätte.

Falls ich gezwungen werden sollte, mich daheim zu melden, um den Verdacht eines Verschwindens auszuschließen. Eine Liste mit Notfallnummern, von der taz über Reporter ohne Grenzen bis zur Hotline des Auswärtigen Amtes und der Deutschen Botschaft in Syrien und meiner Blutgruppe hinterlegte ich ebenfalls, wie bei allen Reisen in Krisengebiete.

Kontakte zu Ausländern unerwünscht

Als ich bei meinem Freund in Damaskus, der bereits oft illegal für ausländische NGOs zu kritischen Themen gearbeitet hat, ankam, teilte er mir mit, dass er alle Kontakte zu Ausländern, auch zu mir, abbrechen müsse.

Tage zuvor war er schon per Mail sehr wortkarg geworden. Zu groß war seine Angst vor Repressalien, vor allem, da der Geheimdienst regelmäßig bei ihm klopfte, um herauszufinden, ob und welche Kontakte zu Ausländern er hatte.

Arbeit mit ausländischen Institutionen oder Journalisten kann im schlimmsten Fall als Spionage gedeutet werden, die mit jahrelangen Haftstrafen oder sogar mit Hinrichtung verfolgt wird.

Ein anderer Freund, ein Regisseur mit Berufsverbot, nahm mich auf. Im Hotel hätte ich meine Passkopie abgeben müssen, dafür ist meine Angst vor Google zu groß. Ich hatte Glück: In meinem neuen Haus gingen viele engagierte Studenten ein und aus. Sie nahmen mich mit zu einem der ersten friedlichen kleinen Sit-ins an der Damaszener Uni.

Erzählten mir alles, was sie in den Studentenwohnheimen und auf dem Campus mit dem Geheimdienst erlebten und baten mich, so vielen Europäern wie möglich von ihrer Lebenssituation zu erzählen.

Wir hatten eine stillschweigende Übereinkunft, dass sie mich nicht fragten, warum ich so viele Fragen stellte. Sie wollten offiziell nicht wissen, dass ich Journalist bin, sie vertrauten mir aber, da ich bei einem vertrauenswürdigen Freund, der mehrfach wegen seiner kritischen Tätigkeit im Gefängnis war, wohnen durfte.

Frauenrechtsarbeit scheint unbehelligt

Bei einem Bekannten, der offiziell eine Frauenrechtsorganisation betreibt, sich inoffiziell aber seit Langem für die juristische Achtung und Durchsetzung der Menschenrechte einsetzt, war ich erstaunt über die Einladung in sein Büro.

"Die Geheimdienste haben gerade anderes zu tun, als meine kleine Frauenrechtsarbeit hier zu observieren", teilte er mir mit und traf sich fortan öfter mit mir, vermittelte mir auch Gesprächspartner. Da er seit Monaten keine Kritik an seiner Arbeit durch die Behörden mehr erfuhr, fühlte er sich sicher und unbeobachtet, im Gegensatz zu anderen Oppositionellen, die nicht einmal am Telefon auf Englisch oder Deutsch mit mir sprechen wollten.

Denn den alten Aktivisten ist nach Jahrzehnten der Repressalien und Gefängnisaufenthalte klar: Wenn sie sich als dem Regime bekannte Kritiker auch nur kurz und an vermeintlich sicheren Orten mit Ausländern treffen, so werden sie im Anschluss zumindest Besuch vom Geheimdienst bekommen, der dann alles über den Gesprächsinhalt und den Ausländer wissen will.

In der aktuellen Lage in Syrien gäbe es, da die staatlichen Medien konsequent von einer ausländischen Verschwörung und einer gezielten Medienkampagne gegen die Regierung sprechen, keinen Grund, sie nicht sofort wieder zu inhaftieren.

*Der Autor schreibt unter Pseudonym

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