Tanzstück "Baader" in Berlin : Tanz den Andreas Baader

In Berlin hatte das Tanzstück "Baader - Choreografie einer Radikalisierung" von Christoph Winkler im Ballhaus Ost Premiere.

Martin Hansen tanzt Andreas Baader in Winklers Choreografie. Bild: ballhaus ost/k3 berlin

Die Geschichte des Andreas Baader als Vorlage für ein Tanzstück? Das klingt zunächst nach einem gewagten Vorhaben. Baader, 1943 in München geboren, war schließlich Mitbegründer der bundesdeutschen Stadtguerilla Rote Armee Fraktion (RAF), einer wenig feinsinnig-künstlerischen Unternehmung. Die RAF bombte sich 1972 mit einer Serie von Anschlägen auf US-Einrichtungen bleibend in die Historie der Bundesrepublik. Und wie fast die gesamte RAF-Gründergeneration fand sich auch Baader bald inhaftiert wieder. 1977 starb er im Gefängnis von Stuttgart-Stammheim. Wie daraus ein Tanzstück machen?

Nun, Choreograf Christoph Winkler wählt einen klaren, überzeugenden Weg. Er reduziert auf das Nötigste und nutzt die Kraft verschiedener Medien. Die Biografie des RAF-Mitbegründers - vom vaterlos aufgewachsenen Münchner Jungen zum dandyhaften Bohemien in Berlin und charismatischen Bombenleger - ist vornweg auf zwei Flachbildschirmen in einem Loop mit 100 Baader-Bildern nachzuvollziehen. Unterlegt mit klassischer Musik, hat dies etwas gewollt Künstliches, ein bewusster Umgang mit dem Ikonografischen. Der Eindruck ist ein melancholischer, Coolness und Existenzialismus erinnern an die Stimmung der späten 60er Jahre, unter Verzicht auf eine sprachliche Kommentierung.

Überzeugend nimmt der machmal träumerisch und knabenhaft, manchmal fordernd und entschlossen wirkende Tänzer Martin Hansen diese Atmosphäre auf. Hansen kann mühelos solo diesen Abend bestreiten. Sein Spiel legt die androgyne Körperlichkeit des frühen Baaders bloß, der oft ausschließlich als Macker gelesen wird. Baader war nicht der Einzige, der damals Kajalstifte, Psychedelic Disco, "Krautrock" oder Filme wie Michelangelo Antonionis "Zabriskie Point" mochte. Absolute Höhepunkte sind Hansens tänzerische Interpretationen eines Can-Stückes sowie Filmmusik aus "Zabriskie Point" von Pink Floyd.

Fernab jegliches propagandistischen Auftrags, aber auch fernab von Beliebigkeit, verschränkt sich das körperlich-musische Element mit dem ursprünglichen Geist der früheren Revolte. Auszüge aus dem "Konzept Stadtguerilla" erinnern daran, dass die RAF einmal anders gedacht war, bevor sie in Floskelhaftigkeit und Dogmatismus erstarrte. "Dogmatismus und Abenteurertum sind seit je die charakteristischen Abweichungen in Perioden der Schwäche der Revolution in einem Land. Da seit je die die Anarchisten die schärfsten Kritiker des Opportunismus waren, setzt sich dem Anarchismus-Vorwurf aus, wer die Opportunisten kritisiert. Das ist gewissermaßen ein alter Hut." Ach wunderbar, dies 2011, also vierzig Jahre später, als Kunstsprache auf heruntergelassenen Rollos im Bühnenhintergrund zu lesen, fantastisch.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.