WAS DENKEN SIE GERADE …
: … Alexandra Corsten?

Als wir die gelernte Hebamme, 40, anrufen, macht sie gerade Urlaub in Mönchengladbach. In der Fußgängerzone erholt sie sich von ihrem Alltag: In Berlin-Schöneberg hat sie zusammen mit einer Freundin eine Hebammenpraxis

Nehmen, was kommt – meiner Meinung nach gilt das auch für Kinder, die geboren werden. Im Bundestag wurde gerade beschlossen, daß die Präimplantationsdiagnostik begrenzt zugelassen wird. Ich finde die PID nicht gut. Das fängt schon mit der Befruchtung der Eizelle außerhalb des Körpers an: Vielleicht sollten sich Menschen, die auf natürlichem Weg keine Kinder bekommen können, eher damit abfinden – auch wenn das schmerzlich ist.

Die PID-Frage kann man nur ethisch entscheiden, bei allem Verständnis für die Tragik mancher Einzelschicksale. Man muss sich ja überlegen, wo das am Ende hinführt. In meiner eigenen Praxis hatte ich gerade ein Kind, das eine genetisch bedingte Herzerkrankung hat, ein anderes hat epileptische Anfälle, wahrscheinlich aufgrund einer familiären Erbkrankheit. Durch die pränatale Diagnostik werden jedoch die meisten behinderten Kinder längst „aussortiert“ – so kann man das ruhig sagen, denn niemand möchte wirklich ein behindertes Kind haben.

Kritisch wird bei der Geburt Sauerstoffmangel bedingt durch Komplikationen oder eine zu frühe Geburt. Die meisten Behinderungen aber entstehen danach. Durch Unfälle. Ich habe selbst zwei Kinder, es kann immer was passieren: Kinder stürzen, werden angefahren. Im Leben kann man sich nicht zu hundert Prozent gegen Risiken versichern. PROTOKOLL: MARTIN REICHERT