Gute Mimen zum bösen Spiel

BLACKFACE In Berlin machen Aktivisten gegen rassistische Traditionen im Schauspiel mobil. Nach dem Boulevard trifft die Kritik nun auch das renommierte Deutsche Theater

VON DANIEL BAX

Als am vergangenen Sonntag im Deutschen Theater in Berlin mal wieder das Stück „Unschuld“ von Dea Loher gespielt wurde und die Hauptfigur „Elisio“ auf der Bühne erschien, konnte man im Rampenlicht deutlich die schwarze Schminke und die übertrieben rot angemalten Lippen im Gesicht des Darstellers Andreas Döhler erkennen. Mehrere Dutzend Zuschauer – Aktivisten, wie sich zeigte – verließen aus Protest den Saal. Nach der Vorstellung verteilten sie Handzettel im Foyer, in denen es heißt: „Wir wollen ein Zeichen setzen: dass wir die Weiterführung der Tradition des ‚Blackface‘ und von allem, was damit zusammenhängt, nicht akzeptieren können und wollen.“

Doch warum entzündete sich dieser Protest erst jetzt, wo das Stück doch schon im vergangenen September Premiere hatte? Und wo es in Deutschland schon sehr lange üblich ist, dass weiße Schauspieler sich schwarz schminken, wenn sie die Rolle eines Schwarzen spielen? Viele Zuschauer – vor allem, wenn sie selbst schwarz sind – empfinden das schon lange als Zumutung: Sie fühlen sich an amerikanische Minstrel-Shows erinnert, in denen schwarze Menschen einst lächerlich gemacht wurden.

Doch bisher kam es deshalb nie zum Eklat. Aber nachdem die Hintergründe der rassistischen Mordserie von Neonazis aus Zwickau bekannt wurden, scheinen manche nicht mehr bereit, den alltäglichen Rassismus hinzunehmen. Erste Proteste hatte in diesem Jahr zuvor das Berliner Schlosspark-Theater provoziert. Die Boulevard-Bühne, die vom ehemaligen TV-Komiker Dieter Hallervorden geleitet wird, hatte in der Hauptstadt für ihr aktuelles Stück „Ich bin nicht Rappaport“ mit Plakaten geworben, auf denen einer der beiden grimassierenden Hauptdarsteller auf groteske Weise schwarz geschminkt abgebildet war. In Internetblogs und auf Facebook brach daraufhin schon vor der Premiere ein Sturm der Empörung los, doch die Theatermacher zeigten sich davon unberührt. Sie verwiesen darauf, schlicht keinen geeigneten schwarzen Schauspieler gefunden zu haben – und dass es an deutschen Bühnen so wenige schwarze Schauspieler gebe, liege wohl daran, dass es zu wenige Rollen gebe, die eine „Festanstellung rechtfertigen“ würden.

Diese Begründung hatte für viele das Fass zum Überlaufen gebracht und in dieser Woche sogar die „Landesstelle für Gleichbehandlung – gegen Diskriminierung“ der Hauptstadt auf den Plan gerufen. Deren Leiterin Eren Ünsal fragte sich in der taz, ob das die „gängige Einstellungspraxis“ sei, denn dann müsse man eine Ungleichbehandlung vermuten. Rollen, die gewöhnlich mit weißen Schauspielerinnen oder Schauspielern besetzt würden, müssten auch für andere Mimen offen sein, befand sie. Tatsächlich ist der Anteil von Schauspielern oder Regisseuren mit Migrationshintergrund oder anderer Hautfarbe an deutschen Theatern noch immer erstaunlich gering, gemessen an der zunehmenden Vielfalt in der Gesellschaft. Und angesichts der Tatsache, dass deutsche Bühnen in nicht geringem Maße von öffentlichen Geldern subventioniert werden, stellt sich für viele steuerzahlende Migranten und schwarze Deutsche die Frage, ob sich das nicht allmählich einmal ändern sollte. Die Kritik in Sachen „Blackfacing“ ist dabei durchaus differenziert. Im Blog „Bühnenwatch“ etwa konzediert der Schauspieler Tyron Ricketts, dass die Praxis der deutschen Theater nicht der gleichen rassistischen Motivation wie in der amerikanischen Geschichte entspringe. Er „finde es aber ignorant, die Augen davor zu verschließen, dass sich schwarze Menschen davon beleidigt fühlen“. Provokant fügte er hinzu: „Ähnlich wäre es, wenn ich mit einem Hakenkreuz auf eine jüdische Veranstaltung gehen und auf die eigentliche Herkunft des Symbols als indisches Sonnenrad verweisen würde.“