DIE GESELLSCHAFTSKRITIK
: Der Apfel schmeckt

WAS SAGT UNS DAS? Apple ist die wertvollste Firma der Geschichte, alle lieben ihre Produkte. Seltsam

Es ist nahezu unmöglich, Apple-Produkte zu umgehen. Wer eine große Musiksammlung hat und alles bei sich tragen will, findet keine Alternative zum iPod. Und ja, er funktioniert auch gut. Auch deswegen ist Apple nun das wertvollste Unternehmen der Geschichte. Sagen und schreiben zumindest die meisten. 665,15 Dollar lautete der Schlusskurs der Aktie am Montag an der Wall Street. Gesamtwert des Unternehmens: 623,5 Milliarden Dollar. Glückwunsch!

Apple hat damit Microsoft abgelöst. Der Softwarekonzern war am 30. Dezember 1999 rund 620 Milliarden Dollar wert. Microsoft war damals der böse Krake, wurde von Kartellklagen überzogen. Schon vor Erscheinen von Windows 95 schrieb Die Welt von „erdrückender Vorherrschaft“ des Konzerns aus Seattle. Microsoft-Chef Bill Gates wurde zum Symbol für die aggressiv expandierende Privatwirtschaft.

Und bei Apple? Da grüßt der verstorbene frühere CEO Steve Jobs als Spielfigur aus einem Schaufenster an der Berliner Friedrichstraße. Drinnen kaufen sich Menschen das aktuelle iPad oder ein Macbook Pro. Teuer, aber so toll.

Dass Apple das Internet massiv einschränkt, indem es Flashanwendungen bannt, oder zusammen mit Verlagen bestimmte Websites sperrt und so die Benutzer zum Kauf der jeweiligen App zwingt? Dass Apple mit seiner Software iTunes und dem Store ebenfalls den digitalen Medienmarkt beherrscht? Dass sich diverse Arbeiter eines Apple-Zulieferers in den Tod stürzten? Was soll’s, sagen sich die Kunden. Kunden, die ihre Kinder in die besten Kitas und Schulen schicken, die sich hauptsächlich von Bioprodukten ernähren, die keine Süßgetränke von Coca-Cola zu sich nehmen, die in ihrem Eifer nach einem reinen sozialen Gewissen ins Wertkonservative abgleiten.

Und auch die Journalisten-Kaste reiht sich ein in die Apple-Hörigkeit: Die 1995 noch so kritische Welt überschreibt den Testbericht zum neuen iPad mit „Schärfer geht’s nicht“. Werbender auch nicht. Da stellen sich Redakteure im April 2010 stundenlang in New York in Menschenschlangen, nur um zu den ersten iPad-Besitzern zu gehören. PR für lau. Glückwunsch, Apple.

JÜRN KRUSE