US-Serie „Homeland“: Kriegsheld! Oder Hochverräter?

Paranoid, hochpolitisch und grandios verunsichernd: Am Sonntag startet die US-Serie „Homeland“ auf Sat.1. Sie zeigt die Post-Bush-Ära.

Getriebene zwischen Gegenspieler (r.) und Mentor. Bild: 20th Century Fox

„Ich bin Amerikaner!“ Spezialkräfte finden einen vollbärtigen, verwahrlosten Mann in einem Loch irgendwo im afghanischen Korengal-Tal. Wie sich herausstellt, ist der Mann Marine-Sergeant und wurde angeblich acht Jahre lang von al-Qaida als Kriegsgefangener festgehalten. Trotz Folter hat er überlebt. Was für eine Heldengeschichte!

So fängt „Homeland“ an, die spannendste und schlauste US-Fernsehserie der vergangenen Jahre. Doch schon bald bröckeln alle Gewissheiten. Sergeant Nicholas Brody hat ein finsteres Geheimnis aus dem Krieg mit in seinen Reihenhaus-Vorort gebracht. Steht er überhaupt noch auf der Seite Amerikas – oder wurde er in Gefangenschaft vom Feind umgedreht? Ist er ein Vorbild – oder ein Verräter?

An diesem Wochenende kommt die hochgelobte US-Serie nun auch ins deutsche Fernsehen, nachdem sie längst auf der ganzen Welt läuft, von Afghanistan bis Vietnam. Wurde auch Zeit.

„Homeland“ ist in vielerlei Hinsicht das Gegenstück zu „24“, jener kurz nach den Anschlägen vom 11. September 2001 gestarteten Erfolgsserie um den Anti-Terror-Agenten Jack Bauer (Kiefer Sutherland). „24“ war nicht weniger spannend und hat vieles vorweggenommen, was später Wirklichkeit wurde (ein schwarzer US-Präsident als Hoffnungsträger!) –, legitimierte aber gleichzeitig die „erweiterten Verhörmethoden“ der USA. „24“-Held Jack Bauer war immer der Gute, selbst wenn er aus einem Terrorverdächtigen die Scheiße herausfolterte.

Es gibt kein Gut und Böse mehr

„Homeland“ wiederum ist ein Spiegel der Vereinigten Staaten in der Post-Bush-Ära. In der Serie gibt es kein Schwarz und kein Weiß mehr, kein eindeutiges Gut oder Böse. „Homeland“ ist vielschichtiger, uneindeutiger, verunsichernder.

In der Hauptrolle ist neben dem undurchschaubaren Sergeant Brody (Damian Lewis) die CIA-Agentin Carrie Mathison zu sehen. Gespielt wird sie von Claire Danes, die in den Neunzigern an der Seite von Leonardo DiCaprio in „Romeo und Julia“ zum Teeniestar wurde und in „Homeland“ nun beweist, was sie als Darstellerin kann: hart am Borderline-Syndrom entlang schauspielen.

Die von Danes verkörperte Al-Qaida-Expertin ist eine Getriebene, die bis über die Grenzen ihrer geistigen Gesundheit geht. Nie wieder will sie einen solchen Fehler wie vor den Anschlägen von 9/11 machen. Carrie ist überzeugt davon, dass sie den nächsten großen Terror-Plot al-Qaidas aufhalten kann – in den sie den aus der Gefangenschaft befreiten Sergeant Brody verwickelt wähnt. Oder bildet sie sich das alles nur ein? Ist Carrie verrückt geworden? Ein Psychodrama entspinnt sich, eines mit großem Suchtpotenzial.

„Homeland“ ist gleichzeitig aber hochpolitisch. Die Serie stellt Obamas wichtigstes Mittel im „Krieg gegen den Terrorismus“ in Frage: die Drohnenangriffe auf Al-Qaida-Verdächtige in Pakistan oder dem Jemen. In der Serie trifft eine ferngesteuerte Rakete unschuldige Kinder – und bringt so, anstatt Terroristen zu bekämpfen, neue hervor.

Alle Perspektiven verrutschen

In seinen verwirrendsten Momenten schafft es „Homeland“ sogar, dass beim Zuschauer alle Perspektiven verrutschen. Und bevor man sich versieht, fiebert man mit einem mutmaßlichen Attentäter mit und wünscht einem machtkorrupten Politiker den Tod an den Hals. Das ist perfide. Und mitreißend.

Das auf der israelischen TV-Serien-Vorlage „Hatufim“ („Kriegsgefangener“) basierende „Homeland“ ist so gut, dass man sogar die ein oder andere wirre Wendung verzeiht, die der Plot spätestens in der zweiten Staffel nimmt. Warum aber Sat.1 die mit sechs Emmys und fünf Golden Globes dekorierte Fernsehserie von Howard Gordon und Alex Gansa am späten Sonntagabend versenkt, das bleibt das Geheimnis des Privatsenders. Hat die „beste Serie der Welt“ (Sat.1-Eigenwerbung) nicht auch den besten Sendeplatz verdient?

„Homeland“ ab Sonntag auf Sat.1 (22.15 Uhr)

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