So klappt’s auch mit …

…schlechten Nachrichten

Empathie bei schlechten Nachrichten ist wie ein Hustenbonbon bei Reizhusten: hilft wenig, aber lindert

VON LISA ROKAHR

Schlechte Nachrichten sind wie Babys mit vollgekackter Windel. Niemand möchte sie an sich nehmen, und je länger man wartet, desto schlimmer wird es. Schlechte Nachrichten sind die stinkenden Windeln der Kommunikation. Ob die Nachricht von einem selbst kommt oder man nur der Bote ist – am Ende ist man immer irgendwie der Schuldige.

Das fing in der Schule an, als ich gestehen musste, die Hausaufgaben vergessen zu haben. Heute muss man dem Chef Fehler beichten. Nicht zu vergessen die kleinen schlechten Nachrichten des Alltags: dem Kellner sagen, dass das Essen kalt ist; der Freundin, ihren Mann bei einem Flirt erwischt zu haben.

Torsten Rössing weiß, wie man das gut macht. Er war deutscher Meister im Debattieren und kann Köpfe aus Schlingen reden. Inzwischen ist er Medientrainer und Berater für Krisenkommunikation. Seine Kunden sind Banken, Versicherungen und Großunternehmen. Und wenn Torsten Rössing Krisen auf DAX-Niveau entschärfen kann, dann doch auch die kleinen Probleme des Alltags.

Gerade zurück von einer Krisensimulation, wo er einem Unternehmen gezeigt hat, wie es bei einem Betriebsbrand richtig handelt, erklärt Rössing nun, wie man schlechte Nachrichten gut verpackt. Lektion eins: Empathie. Als Beispiel, wie es nicht laufen soll, nennt er die Pressekonferenz nach dem Loveparade-Unglück. Zu der Zeit herrschte noch Chaos, niemand wusste, was schief gelaufen ist, geschweige denn, wer dafür verantwortlich war. Man wusste nur, es gab Verletzte, Tote und hilflose Angehörige. „Und Bürgermeister Sauerland versuchte nur eins: die juristische Schuld von sich zu weisen“, erinnert sich Rössing. „Er hätte sagen sollen, dass es ihm leid tue, ganz einfach: Entschuldigung.“ Empathie bei schlechten Nachrichten ist wie ein Hustenbonbon bei Reizhusten: hilft wenig, aber lindert. „Du musst dich in dein Gegenüber hineinversetzen“, rät Rössing. „Frag dich: Wenn du an seiner Stelle wärst, was würdest du hören wollen?“ Und wo? „Zwischen Tür und Angel sicher nicht.“ Ort und Zeit sind also der zweite wichtige Faktor. Und der Überbringer muss mit Kopf und Herz da(bei) sein. Authentisch für das stehen, was er sagt. „Schlechte Nachrichten müssen von demjenigen überbracht werden, der auch Verantwortung trägt“, sagt Rössing. „Nicht jemand ist verantwortlich, nicht man, sondern in dem Moment bist du es.“ – „Töte nicht den Boten“, forderte Sophokles 420 v. Chr. Bleibt zu hoffen, dass dieser Rat heute noch gilt.

Der letzte Rat der Theoriestunde ist der schwierigste, weil menschlichste: kein Aufschieben, kein Hinauszögern, keine Salamitaktik. Denn eine schlechte Nachricht wird schlimmer, je später sie kommt. Es bleibt weniger Handlungsspielraum, der Empfänger fühlt sich wegen des Verschweigens zusätzlich betrogen – und der Überbringer hat sowieso Bauchweh, solange er die Nachricht mit sich herumträgt.

Fast verdrängt erinnere ich mich an die Geburtstagseinladung von meinem Onkel. Der Fünfzigste. Und so oft hat er auch ungefähr betont, dass er mich dabeihaben will. Nur leider wohnt er 600 Kilometer von mir entfernt. Keine Chance, zu jedem Geburtstag vorbeizukommen. Und schon gar nicht, wenn eine Konfirmation, ein Fünfzigster und eine Abiturentlassung hintereinanderliegen. Da muss man Abstriche machen, und der Geburtstag meines Onkels ist, nun ja, der Abstrich.

Ort und Zeit kann ich nur eingeschränkt wählen, da ich meinen Onkel nur noch bei der Konfirmation treffe. Die Kirche ist schon mal nicht der richtige Ort, ich warte also aufs Essen. Es ist laut, mein Onkel sitzt mir schräg gegenüber, dazwischen Cousins, Geschwister und Angeheiratetes. Ich warte auf den richtigen Moment und überlege solange, was mir Torsten Rössing noch geraten hat. Sonore Bruststimme. Schwierig bei hoher Stimme. Mimik und Gestik kontrollieren zu wollen kann man sich sowieso sparen, sagte mein Trainer. Die machen in Extremsituationen eh, was sie wollen. Dafür klar und schlüssig argumentieren: Entschuldigen, begründen und auf Absolution hoffen. Oder wie Rössing zusammenfassend sagt: „Keinen Scheiß erzählen!“

Die Plätze zwischen uns sind leer geworden, alle am Buffet, schnell aufrücken. „Du Henning, es tut mir sehr leid, ich kann nicht zu deinem Geburtstag kommen“, beginne ich und erkläre, dass ich mir nicht jede Woche für eine Familienfeier Urlaub nehmen kann. Am Ende schaut mein Onkel zwar nicht fröhlich, aber auch nicht wütend. Das lief doch. So gut, wie schlechte Nachrichten eben laufen.