die wahrheit: Der Deutsche Wagen

Schirrmacher, Broder und Sarrazin ziehen sich aus dem publizistischen Geschäft zurück und eröffnen eine Imbissbude.

Ein Wagen für Kultur und Wissen. Intelligenz und Herrschaft, Philosophie und Charisma. Bild: (Montage): David Brandt

Ein Imbisswagen unter einer Eisenbahnbrücke, drum herum viel Nichts, dahinter ein Fluss. Frank Schirrmacher trägt ein weißes Hemd, dunkle Hose und eine weiße Schürze, auf der in roten Lettern "Chef" geschrieben steht. Henrik M. Broder ist mit einem blau-weiß gestreiften Hemd mit Stehkragen, Jeans und halber Schürze gekleidet, Thilo Sarrazin trägt einen grauen Anzug. Die drei stehen in dem Imbisswagen, dessen Luke geöffnet ist. Davor ein niedriges, rundes Tischchen und zwei umgedrehte Bierkisten als Sitz.

Szene I

Sarrazin: "Wann kommt denn deine Mutter?"

Schirrmacher: "Die wird schon kommen."

Sarrazin: "Wir machen gleich auf und das Wichtigste ist noch nicht da. Ich denk, sie wollte schon längst hier sein!?"

Schirrmacher: "Keine Sorge, die kommt rechtzeitig. Auf meine Mutter ist Verlass."

(Ein kleines Muttchen in einen grauen Mantel gehüllt, mit je einem Mayonnaise-Eimer in den Armen, schlurft zum Wagen, wuchtet mühevoll die Eimer auf die Ablage.)

Broder: "Ahhh! Endlich, der Kartoffelsalat!"

(Schirrmacher kommt aus dem Wagen, geht zu seiner Mutter, begrüßt sie mit einem Kuss auf die Wange, sagt ihr etwas ins Ohr.)

Mutter Schirrmacher: "Hab ich doch gesagt, mein Junge!" (zu Broder und Sarrazin gewandt): "Bester Böhmischer Kartoffelsalat. Wie es sich gehört!"

Szene II

(Mutter ist weg. Aus dem Wagen ertönt Musik, "Der fröhliche Ostpreuße". Schirrmacher und Broder stehen, Sarrazin sitzt in der rechten Ecke auf Kartons.)

Broder: "Meint ihr, da kommt noch jemand? Es ist schon zehn nach zehn und es ist noch keiner da."

Schirrmacher: "Na, wir haben ja auch erst seit zehn Minuten geöffnet. Außerdem muss sich das erst mal rumsprechen, dass wir jetzt hier sind. Das weiß ja niemand."

Broder: "Stimmt."

(Sarrazin starrt ins Leere, nickt zustimmend. Stille.)

Sarrazin: "Wir haben noch keinen Namen!"

(Broder und Schirrmacher erschrocken): "Stimmt!"

Broder (etwas hektisch): "Wie sollen wir uns denn bloß nennen?"

Schirrmacher: "Es sollte etwas mit Sinn sein. Mit Tiefe. Etwas für Dialektiker. M.A.I. - Main anderer Imbiss oder so etwas. ,Main' natürlich mit A geschrieben."

Sarrazin: "Also ich bin für ,Thilos Würstchen'".

Broder (aufgebracht): "Wieso denn ,Thilos'? Warum denn dein Name!?"

Sarrazin: "Na, weil ich das hier finanziert habe. Darum. Ganz einfach! Oder von mir aus auch ,Würstchen-Thilo'. Komm, wir gehen zum Würstchen-Thilo! Das klingt doch gut!"

Schirrmacher: "Henrik hat Recht. Einen herauszustellen, ist kontraproduktiv. Auf der Beziehungsebene. Außerdem, ich glaube, wir brauchen etwas Anspruchsvolleres. Etwas, das unterstreicht, wofür unsere Würstchen stehen. Für Kultur und Wissen. Intelligenz und Herrschaft. Philosophie und Charisma. Etwas, das mit unserem Land zu tun hat - so etwas wie ,Deutscher Wagen'".

Sarrazin: "Deutscher Wagen! Da kommen doch gleich wieder die Angsthasen und werfen uns Rechtspopulismus vor."

Broder: "Aber die Anderen, die von Woanders, die nennen ihre Läden doch auch ,Bosporus' oder ,Korfu', ,Café Israel' oder ,Lesbos'.

Schirrmacher: "Da hat er recht. Was ist denn mit ,Frankfurt'? Oder ,Main-Ufer'?"

(Stille.)

Sarrazin: "Also, ich bin für ,Bielefeld'!"

Schirrmacher: "Bielefeld! Da können wir den Laden ja gleich ,Bitterfeld' nennen. Nein, nein. ,Deutscher Wagen', das ist genau richtig. So machen wirs!"

(Schirrmacher beginnt im Eimer mit Kartoffelsalat zu rühren. Sarrazin setzt zum Widerwort an, Broder fängt seinen Blick auf und nickt ihm zu):

"Doch, doch, ,Deutscher Wagen' ist eine gute Idee!"

(Zwei Arbeiter schlurfen auf den Wagen zu, Sarrazin springt von den Kartons): "Da kommen welche, da kommen welche!"

(Die Drei stehen kerzengerade vor ihrer Kundschaft): "Was darf es denn sein?!"

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